- "Komme, was da wolle! Ich fühle Kraft in mir, selbst mit dem
leibhaftigen Satanas anzubinden!" Don Quixote sagte dieses mit tiefem
Brustton und reckte sich gewaltig dabei. Sancho Pansa wußte,
daß sein Herr nach der Verzauberung seiner Gebieterin, der
Dulcinea von Toboso, allen bösen Geistern und Zauberern den Tod
geschworen hatte und von neuer Abenteuerlust beseelt war. - "Lieber
will ich mit einem Schock Affen zusammen in einen Käfig gesperrt
werden, als Euch, edelster Ritter aller Zeiten, weiter folgen, wenn ihr
jetzt sogar mit dem leibhaftigen Satanas streiten wollt!" Mittlerweile
hatte sich ihnen ein mit Fahnen geschmückter Karren genähert
und es zeigte sich, daß es ein fahrender Käfig war, in dem
ein gewaltiger Löwe wild seine Mähne schüttelte. - "Wer
seid Ihr, Leute? Wohin geht Ihr? Zu welchem Zwecke führt Ihr in
diesem Käfig ein solch gefährliches Untier mit Euch?!" fragte
Don Quixote. - "Herr," antwortete der Fuhrmann, "ich transportiere
für Seine Majestät dieses Prachtexemplar von einem
Löwen, den der Statthalter von Oran dem König zum Geschenke
sendet." - "Ist dieser Löwe stark und mutig genug, um sich mit mir
in einem Kampfe zu messen?" rief Don Quixote, indem er die Bestie im
Käfig mit herausfordernden Augen maß. "Offnet das Gitter und
zieht euch zurück! Hier mitten auf dem freien Felde will ich mit
dem König der Tiere kämpfen und ihm zeigen, welch tapferer
Geist Don Quixote von la Mancha innewohnt, dem Ritter von der traurigen
Gestalt. Öffnet, sage ich! Heraus mit der Bestie, die mir der
Herrscher Spaniens selbst in den Weg schickt, um meinen Mut zu
erproben!" Sancho Pansa hatte seinem Herrn hinten in den
Rüstriemen gefaßt und versuchte, ihn zurückzuziehen:
"Ich bitte Euch, um Gottes Willen - der Löwe wird Euch unfehlbar
in Stücke zerreißen!" - "Hinweg, Du jämmerlicher
Tropf!" schrie der Ritter, "Du fürchtest dich vor diesem Tiere? Du
weiche Butterkuchenseele!"
Mit diesen letzten Worten war Don Quixote von seiner Rosinante
gesprungen, stürzte auf den Käfig zu und riß so heftig
an der Kette der eisernen Gittertür, daß diese aufsprang.
Bei diesem tollkühnen Unsinn hatten sich Sancho Pansa und die
beiden Wächter zusammen auf die Rosinante geschwungen und waren,
gefolgt von dem Fuhrmann, mit Pfeilesschnelle in den Wald gesprengt und
im Nu hinter den Bäumen verschwunden. Don Quixote war Schritt
für Schritt zurückgegangen, um das furchtbare Raubtier auf
freier Bahn zum Kampfe zu erwarten. Er deckte seine Brust mit dem
Schilde, zückte sein Schwert und empfahl seine mutige Seele der
hochverehrlichen Prinzessin Dulcinea von Toboso. - Sancho Pansa und die
Wärter waren am Waldesrand auf die Bäume geklettert und
zitterten schon in Erwartung eines grausigen Kampfes. Der Löwe war
dumpf brüllend aus dem Käfig hervorgesprungen und hatte sich
nach Katzenart niedergeduckt, um sich mit seinen gewaltigen Pranken auf
sein Opfer zu stürzen. Sancho Pansa gab seinen Herrn verloren und
faltete seine Hände im stillen Gebete. - Da kam Rosinante, die
sich vernachlässigt fühlte und nicht recht wußte, wohin
sie gehörte, in vollem Galopp zu ihrem Herrn zurück und
rannte in ihrem Ungestüm direkt auf die am Boden kauernde Bestie
los. Der Löwe machte entsetzt einen Satz zurück und schlich
wie ein feiger Hund, mit hängendem Schwanz, in seinen Käfig
zurück. Kein Schimpfen und Schmähen des kampflustigen Ritters
konnte den König der Wüste wieder hervorlocken. So nahm
dieses Abenteuer ein unblutiges Ende und klang aus in ein
übermütiges Lachen.