Don Quixote hatte Sancho Pansa überredet, mit ihm nach Toboso
zu wallfahrten, um von der Dame seines Herzens neuen Segen zu erbitten
für seine ferneren ruhmreichen Abenteuer. "Ein Blick von ihr,
Freund Sancho, wird mich gewaltig stärken, so daß ich ganz
unvergleichlich werden muß an Mut und Tapferkeit", stieß
der Ritter mit freudig pochendem Herzen hervor.
Noch in der Nacht erreichten der fahrende Ritter und sein Knappe das
Dörfchen Toboso. Rosinante, das edle Schlachtroß, wieherte
laut und Sanchos Eselein fing aus voller Kehle an, sein wohllautendes
"I-a" zu brüllen. Alles, was im tiefsten Schlafe lag, erwachte:
Die Hunde bellten, die Esel schrien, Schweine grunzten, Pferde
wieherten, Katzen miauten; und die Menschen schauten in ihren
Schlafmützen aus den Fenstern und schimpften. - "Das ist ein
schlechtes Vorzeichen!" rief Don Quixote, der recht wankelmütig
geworden war. "Doch," fuhr er fort, indem er Sancho an dem Arm packte,
"ich glaube dort im Dunkeln das aufragende Schloß meiner
unvergleichlichen Gebieterin Dulcinea zu entdecken!" - "Aber,
potzwetter!" rief Sancho ärgerlich, "das ist der Kirchturm, den
Ihr sehet, gestrenger Herr! Eure Dulcinea wohnt hinter einem Lattenzaum
in einem kleinen, niedrigen Häuschen, das in einer Sackgasse
liegt." - "Einfältiger Pinsel!" schrie Don Quixote, "seit wann
liegen Paläste hinter Lattenzäunen und in Sackgassen?" Nun
suchten die beiden Helden die ganze Nacht; doch es gelang ihnen nicht,
die Hofburg der edlen Dame zu finden. Als die ersten Sonnenstrahlen im
Osten den Himmel erleuchteten, ritten Don Quixote und sein Knappe
entmutigt aus Toboso hinaus über ein freies Feld. - "Ihr braucht
nur Euren Kopf emporzuheben und gradeaus zu schauen, um das holdselige
Antlitz Eurer Dulcinea zu sehen!" sprach Sancho Pansa, dem sein Herr
aufrichtig leid tat, "dort kommt sie auf edlem Rosse mit zweien von
ihren Hofdamen einhergetrabt, um Euch einen Morgengruß zu
entbieten. Ach, wie edel und schön ist sie, Herr! Sie und ihre
Jungfrauen glänzen von lauter Gold, von Juwelen, von Perlen und
Brokat. Ihr lockiges Haar schimmert im Sonnenschein und flattert
aufgelöst in den Winden!" -
In Wirklichkeit waren es drei Bauerndirnen, die auf Mauleseln ritten
und von früher Feldarbeit kamen. - "Was sagst du da?" rief Don
Quixote von freudigem Schrecken überwältigt. "Hüte Dich
wohl, Sancho, mich vorsätzlich zu täuschen und meine
Traurigkeit in ein schnell dahinschwindendes Glück zu verwandeln!"
- "Nun freilich!" erwiderte der Knappe keck. "Haben denn Euer Gnaden
keine Augen im Kopfe, daß Ihr die schöne Prinzessin nicht
seht?" Ohne die Antwort seines Herrn abzuwarten, war Sancho Pansa von
seinem Esel gesprungen und ließ sich vor der vermeintlichen
Dulcinea auf die Knie nieder und sagte: "Hohe und edle Prinzessin,
Kaiserin der Schönheit und Huld, wollet gnädiglich geruhen,
meinen Herrn, Euren getreuen Ritter und vielgereisten Helden Don
Quixote von la Mancha, den Ritter von der traurigen Gestalt, zu
empfangen!" Als das ziemlich einfältige und noch dazu
häßliche Bauernmädchen mit platter Nase und breit
geschlitztem Munde diese Komödie sah und obendrein noch des
dürren Ritters in der verrosteten Rüstung ansichtig wurde,
glaubte sie an einen schlimmen Maskenscherz, den sich der Teufel mit
ihr erlaubte. Sie sprang von ihrem Esel und rannte mit ihren
Gefährtinnen, die desgleichen getan hatten, wie von Furien
gehetzt, über den Acker und alle schrien ein über das andere
Mal: "Hilfe, Hilfe! der - Teufel!"