Alles, was den Anschein des Wunderbaren hatte, war für Don
Quixote das Glaubwürdigste von der Welt. Deswegen zeigte er auch
kein Erstaunen, als ihm der Schneider, in seiner Verkleidung als
Prinzessin und Erbin des Königreiches Mico-Micona, so
schauerlichste Geschichten von einem gehässigen Riesen
erzählte, daß selbst dem Sancho Pansa, der mit dem Schneider
im Bunde stand, grauste. - "Ich werde mit dem Riesen umspringen, wie
mit einem lächerlichen Zwerge!", unterbrach Don Quixote mit
geringschätziger Gebärde die Prinzessin. Mit solchen
Lügen einerseits und Beteuerungen andererseits waren sie an eine
Herberge gekommen, in der sie ihr Nachtlager nahmen. Don Quixote
versprach nochmals der Prinzessin, fürchterliche Rache zu nehmen,
und zog sich mit Sancho Pansa in seine Kammer zurück. Als sich der
"Ritter von der traurigen Gestalt" mit seinem Schildknappen allein
befand, erkundigte er sich sofort, wie es um seine Gebieterin "Dulcinea
von Toboso" stände, und wie sie sich zu dem Liebeskummer eines so
gewaltigen Helden geäußert hätte. Der "Liebespostillon"
Sancho Pansa erwiderte ihm, daß er sie mit nackten Beinen auf der
Tenne habe einen Scheffel Weizen schlagen sehen und daß sie ihm
auf seinen Bericht nur geantwortet habe, sie wolle mit einem so
albernen Menschen, wie Don Quixote einer sei, der wie ein Narr in der
Wildnis herumirre, nichts gemein haben. "Laßt die Bauerndirne
laufen und kümmert Euch lieber um die schöne Prinzessin, die
Euch in des Teufels Namen ein Königreich einbringen wird!" wagte
Sancho Pansa noch hinzuzusetzen. - "Schweig, gemeine Bauernseele!"
befahl Don Quixote mit finsterem Ernste. "Du willst meine holde Herrin
Dulcinea schmähen?! Du Lumpenhund, Du Taugenichts, Du elender
Schurke!" - Sancho Pansa verließ schleunigst die Kammer seines
Herrn und lief in die Schankstube, allwo er den verkleideten Schneider
mit dem Wirt im besten Einvernehmen antraf. Nun lachten alle drei
zusammen und warteten der Dinge, die noch kommen sollten. Nach etwa
einer Stunde hörten sie aus der Schlafkammer des ruhelosen Helden
laute Rufe, Schreien und Spektakel. Alle drei stürzten eilig
herbei, rissen die Tür der Kammer auf und erblickten Don Quixote
in ein fürchterliches Gefecht verwickelt. -
"Bei Gott,
er hat dem Riesen, dem schändlichen Feinde der Prinzessin
Mico-Micona den Kopf glatt vom Rumpfe weg gesäbelt, als ob er eine
Rübe wäre!" rief der Schneider. "Was schwatzt da Deine lose
Zunge, Weibsbild?" brüllte der Wirt. "Der unsinnige Ritter hier
ist toll und verrückt; er sieht meine vollen Weinschläuche
für Riesen an und läßt meinen guten roten Wein als Blut
fließen!" Don Quixote heulte wie der Teufel selbst, schlug mit
gewaltigen Hieben um sich und zerschlug alles, was ihm in die Nähe
kam, daß es krachte und zitterte. Vermutlich hatte ein neckischer
Traum ihm vorgespiegelt, daß er sich bereits im Königreiche
Mico-Micona befände, um mit dem Riesen, der sich widerrechtlich
des Landes bemächtigt hatte, den Kampf auf Leben und Tod zu
beginnen. In dieser Meinung hatte er den Schläuchen, die mit Wein
angefüllt waren, so viele mörderische Hiebe versetzt,
daß die ganze Kammer im Weine schwamm. - "Schändlicher
Spitzbube!" schrie der Wirt und fiel mit beiden Fäusten grimmig
über den Ritter her. Er würde ihn totgeschlagen haben, wenn
sich der Schneider und Sancho Pansa nicht ins Mittel gelegt und ein
hochheiliges Versprechen gegeben hätten, den vergeudeten Wein bei
Heller und Pfennig zu bezahlen.