Als sich der edle Ritter von la Mancha einigermaßen von der
Wirkung der heftigen Steinwürfe erholt hatte, sprach er
enttäuscht: "Diese Schurken von Gefangenen haben uns mit dem
abscheulichsten Undank entgolten; wir wollen daraus eine Lehre ziehen."
- " Vor allen Dingen besteigt Eure Rosinante und laßt uns
fliehen; Ihr werdet nach dieser Untat bald die Soldaten des Königs
auf den Fersen haben!" entgegnete ihm Sancho Pansa und drängte zum
Aufbruch. - "Sancho, Du bist eine Memme!" erwiderte Don Quixote.
Dennoch bestieg der Ritter seine Rosinante und machte sich, ohne zu
säumen auf den Weg. Noch vor Nacht gelangte er mit seinem Knappen
in die Sierra Morena, ein enges Felstal, von unfruchtbaren
Steinwänden umgeben und schlug hier, von aller Welt abgeschlossen,
sein Lager auf. Hier in diesen rauhen Bergen wurden in Don Quixotes
Kopfe all die wunderbaren Taten und Abenteuer wieder wach, die er von
fahrenden Rittern gelesen, welche in solchen Einöden und
Wildnissen gekämpft hatten. -
"Sancho Pansa, ich wälze gewaltige Pläne in meinem Hirn! Ich
werde Taten verrichten, die mich zu dem berühmtesten Ritter machen
werden, den jemals die Erde getragen hat. Doch bevor ich meine neue
Ruhmesfahrt antrete, will ich meiner unvergeßlichen Gebieterin,
der Dulcinea von Toboso, einige Grüße überbringen
lassen und ihr von meiner Liebe und Verehrung berichten. - Sancho
Pansa! Mache Dich auf, sattle meine schnelle Rosinante, fliege
zurück in unser Dorf und berichte meiner edlen Dame, daß
ich, wie der schmachtende Amadis von Gallien, vor Sehnsucht in Raserei
verfallen sei und gleich dem rasenden Roland mir meinen
liebeglühenden Kopf an hartem Felsgestein zerschmettere." Don
Quixote hatte mit so zitternder Stimme gesprochen, daß Sancho
Pansa vor Rührung laut heulte, wie ein altes Weib. - "Zum Henker!
Das ist ein unangenehmer Auftrag; ich weiß mit Weibsbildern nicht
recht umzugehen." Doch auf das erneute, flehentliche Bitten seines
Herrn saß er bald im Sattel der Rosinante, um als
"Liebespostillon" davonzugaloppieren.
Im Heimatdorf angekommen, traute sich Sancho mit seiner Botschaft nicht
zu dem Bauern Lorenzo Corchuela, dessen Tochter es war, die Don Quixote
zu seiner erhabenen und hohen Gebieterin "Dulcinea von Toboso" ernannt
hatte. Er wußte, daß das hübsche und stramme Dirnchen
sehr schlagfertig war, und vertraute sich daher seinem Nachbarn, einem
Schneider, an, von dem er Rat erhoffte. Der Schneider, der ein
schalkhafter Mensch war, erbot sich, Sancho Pansa in Frauenkleidern zu
folgen, um den armen verblendeten Ritter aus seiner Felsenhöhle
herauszulocken und ihn zu seinem Haus und Hof zurückzuführen,
die dem Verfall nahe waren. Am übernächsten Tage schon
erreichte Sancho Pansa mit dem verkleideten Schneider, der vor ihm im
Sattel saß, das Steingefängnis des fahrenden Helden. Sie
fanden ihn in Brüten und Sinnen verloren. - ,,O
allergnädigster Ritter!" redete der Knappe seinen Herrn an, der
beim Anblick des schönen Mädchens klirrend aufgesprungen war.
"Ich bringe Euch
hier die Prinzessin und Erbin des Königreichs Mico-Micona, die
Euch - im Vertrauen auf Euer Heldentum und Eure Tapferkeit - anfleht,
Rache zu nehmen an einem Riesen, der sie schmählichst beleidigt
hat." Don Quixote war gerührt von den Tränen des schönen
Mädchens, das vor seinen Füßen lag und bitterlich
schluchzte. - " Wo kann ich den Riesen finden, der dieser edlen Frau
Schmach angetan hat?" brüllte der Ritter rot vor Zorn und griff
nach seinem rostigen Schwert. - "Ja! Es gilt, eine Prinzessin und ein
Königreich zu erobern!" rief Sancho Pansa laut, um das Schluchzen
des Schneiders, das sich mehr und mehr in ein Kichern verwandelte, zu
übertönen.