Ungefähr eine Stunde waren unsere beiden Helden, in
vertrauliche Gespräche vertieft, ihre Straße gezogen, als
Don Quixote zufällig aufsah.
Da bemerkte er, daß ihm zwölf Menschen, alle mit Ketten und
Handschellen gefesselt, entgegenkamen. Die Mienen dieser Männer
waren finster, wie bei wilden Tieren, die man gefangen gelegt hat. An
ihrer Seite ritten vier Männer mit Feuergewehren. Don Quixote
setzte sich in Positur, stieß Sancho unsanft in die Seite und
sagte: "Es kommt was daher, das finster genug aussieht, um uns
kampfbereit zu halten!" - "Vorsicht, Herr! Es sind böse Jungen,
eine Koppel Galeerensklaven, die zum Zwangsdienst geführt werden."
Sancho Pansa hatte kaum zu Ende gesprochen, als der Ritter ihn beiseite
schob und entrüstet ausrief: "Was? - zum Zwangsdienste? Man tut
meinen Untertanen Zwang und Gewalt an! - Wohlan, so werde ich meiner
Pflicht nachkommen und den Unglücklichen Hilfe leisten."
Mit
diesen Worten
ritt Don Quixote an die Koppel heran, drängte die Wächter zur
Seite und schrie mit sich überschlagender Stimme, welche der eines
Hahnes ähnlich klang:
"Die ganze Kolonne, haaaalt!" - "Aber um des Himmels willen, bedenkt
doch, gnädiger Herr, dass...!" - "Ruhe! ich will Gerechtigkeit!"
krähte Don Quixote. Die Wächter standen mit offenem Munde und
glaubten, einen Wahnsinnigen zu sehen. Don Quixote fragte nun einen
nach dem andern, was er gefehlt habe und wieso ihm solche harte Strafe
ankäme. Jeder der finsteren und schweren Verbrecher erzählte
ihm von einer Bagatelle. Der eine hatte einen Kreuzer entwendet, der
andere ein Stück Federvieh, die meisten aber behaupteten mit
erheuchelter Miene, vollständig unschuldig zu sein. Der letzte
aber, ein gefährlicher Bursche, der als ärgster Gauner und
Spitzbube in ganz Spanien berüchtigt war, benutzte die Verwirrung
der Wächter, pfiff grell durch die Zähne und schrie: "Los
Kameraden! Es lebe die Freiheit!" Ehe es sich Don Quixote versah, hatte
die Rotte der Schwerverbrecher die Wächter überwältigt
und ihnen die Waffen entrissen. - "Bravo, bravo!" rief Don Quixote und
zitterte vor Begeisterung beim Anblick dieser gewalttätigen
Männer. -
"Hierher, Sancho Pansa, ich habe diese
tapfere Sippe befreit;
Deine Sache ist es nun, diese Helden aus den Fesseln zu heben!" Der
Knappe aber konnte wenig ausrichten; die Verbrecher halfen sich
gegenseitig aus ihren Sklavenketten. Don Quixote rief die
Galeerensträflinge in seine Nähe, ließ sie sich im
Kreise aufstellen, hielt ihnen eine lange Rede und verlangte von ihnen,
sie möchten sich nach Toboso begeben und seiner schönen
Dulcinea berichten, daß Er, der tapfere Held, sie aus ungerechter
Zwangsherrschaft befreit hätte. Ein schallendes Gelächter
folgte seiner Rede. - "Was? - Ihr schändlichen Menschen, ihr wollt
euch der Pflicht der Dankbarkeit entziehen?!" rief Don Quixote in
höchster Erregung. - "Es ist wohl nicht ganz richtig mit Eurem
Verstande, Ihr alter Ritter 'Gockelhahn'; Ihr wollt wohl, daß man
uns in Toboso erneut in Ketten legt?!" johlte der ganze Chor der
Spitzbuben, die jetzt eine kleine Strecke zurückgingen und auf den
armen Don Quixote und seinen Schildknappen einen solchen Steinhagel
entsendeten, daß beide fast unter einer Pyramide von
Felsstücken begraben wurden. Als die Verbrecher außer Sicht
waren, kamen Rosinante und der Esel, die sich beiseite geschlagen
hatten, und beschnüffelten Arme und Beine ihrer Herren, soweit
diese aus dem Steinhaufen herausschauten.