Bobby Box hatte festgestellt, daß man nicht unbedingt arm sein
muß, um Verse machen zu können. Der "1000 Dollar" reiche
Poet hatte, während er darauflos marschierte, schwärmerisch
gedichtet, und die Muse der Dichtkunst, die in seinem Geiste nur wie
Marygold aussehen konnte, hatte ihn oft geküßt. Durch
romantische Kakteenhaine führte ihn nun sein Weg. Die stachelige
Opuntia in ihren grotesken Formen wirkte sich in seiner Phantasie zu
wunderlichen Gebilden aus und die Säulenkakteen, die in ihrer
aufstrebenden Gestaltung wie mächtige Orgelpfeifen emporragten,
gaben zu den sonderbarsten Sinnestäuschungen Anlaß. Er
hörte brausende Akkorde vom Himmelsgewölbe widerhallen und
sah zu dieser mächtigen Musik die turmhohen Gewächse wie in
einem bengalischen Feuerwerk aufleuchten. Doch er wußte nicht,
wie ihm geschah; alles das war plötzlich verschwunden, - er stand
auf einmal in einer endlosen Wildnis. Grüne und blaue Blitze
zersplitterten in der Ferne ein Felsengebirge und triumphierend rollte
dazu der Donner. Es roch nach Quarz und Ozon. Bei jedem Blitz entluden
sich aus dem Innern des Poeten die verborgensten Energien, die ihm
gleich farbigen Strahlen aus Nase, Mund und Ohren leuchteten.
Bobby war völlig irritiert. - Weithin hörbar dröhnte der
Erdboden von einer flüchtenden wilden Büffelherde. Als Bobby
sich erschrocken umsah, nahm ihm ein Windstoß seinen schönen
Melonenhut und trug ihn ein Stückchen fort. Der Dichter eilte
hinterher; doch er traute seinen Augen nicht - sein Hut hatte
plötzlich Beine bekommen und sprang vor ihm in hohen Sätzen
davon. Schnell hatte Bobby den Ausreißer mit seinem Stockgriff
erfaßt und sah nun, daß im Hute ein großer
Ochsenfrosch saß, der schrecklich quakte und zappelte. Nun fing
es ringsherum und von allen Seiten an zu quaken; Bobby bemerkte jetzt,
daß die ganze Ebene voller Ochsenfrösche saß, die alle
ihre glotzenden Augen nach einer Richtung gekehrt hatten und sich das
Gewitter anschauten. Seine Kopfbedeckung war also auf eine solche
Kröte gefallen. Bobby lachte. Sein Lachen aber erstarb auf seinen
Lippen - die Büffelherde war umgekehrt und der Leitstier so
groß wie ein Berg, wälzte sich auf ihn zu.
Das war eine schwierige Situation; jetzt hieß es: "Bobby, steh
deinen Mann!" Der Dichter aber dachte sich blitzschnell: "Mit flinken,
sprunghaften Versen müßte man diesem unförmigen und
behaarten Plumpudding zu Leibe rücken können!" Mit einem Satz
war er hinten am Schwanzende des Büffels und schlug ihm mit seinem
Stock feste was hinten vor. Der Koloß rollte mit den Augen und
drehte sich schnaubend nach Bobby um. Der aber hielt sich hinten an der
Quaste fest,
prügelte immer weiter und dichtete dazu. Nun begann ein
Kreiseldrehen, als ob ein Hund sich in den Schwanz beißen
möchte.
Ein Stierkampf wie in Spanien
Mit List und auch Schikanien.
Ich treib' das Tier im Kreis herum,
Das wird im Kopf ganz schwindeldumm.
(Die Kampfmethode ist von mir.)
Torero - Sieg! Es liegt der Stier!
Dem Büffel war so schwindelig geworden, daß er sich in den Sand legte und seinen gewaltigen Kopf hin und her schüttelte. Bobby bückte sich und griff nach Hut und Reisetasche. Dabei zeigte er so schön den Podex, daß der Büffel nicht widerstehen konnte; er sprang auf und gab Bobby einen tüchtigen Puff. Fffffff - unk! Das war von dem Bullen eine Rekordleistung.
Bobby verspürte in den Ohren ein Sausen - er flog hoch hinauf auf ein Berg-Plateau. Obgleich dem Dichter das Sausen noch lange in Kopf und Ohren lag, nahm er sich doch Muße, die weite und herrliche Felsenlandschaft zu betrachten. Ein Hungergefühl machte sich bei ihm bemerkbar. Er steckte ein kleines Feuer an und entnahm seiner Reisetasche, was er sich von Brack Bell mitgenommen hatte. Herzhaft biß er in ein lederhartes Stück Rindfleisch und schaute dabei gedankenvoll in den aufsteigenden Mond. - Herzhaft? -
Herzhaft - ist ein Geheimnis nur.
Kennst du das kleine Wort ,Amour'?
O, Wunder über Wunder!
Mein Herz flammt auf wie Zunder.
Am Firmament- dort in den Fernen
Steht 'Marygold' in Mond und Sternen!
Lange noch saß Bobby in den Anblick des großen Mondes
versunken, der ihm wie in einem traumhaften Spiegelbild Marygolds
Gesicht zeigte. Dann schlief er von Müdigkeit
überwältigt ein.
Hatte er seine Augen nicht geschlossen? Unten in der Ebene sah er die
Büffelherde sich in soldatischer Formation aufstellen. Der
Leitstier machte seinen Tieren vor, wie man sich im Kreise dreht, und
die ganze Herde machte es ihm in rasender Geschwindigkeit nach. Durch
das viele Drehen wirbelte der Staub auf und verdichtete sich zuletzt zu
einer Wolke, die die ganze Herde unsichtbar machte. Bobby drehte sich
auf die andere Seite und legte einen Arm fest über seine Augen.
Jetzt lenkte ihn nichts mehr ab, und er hoffte, so schlafen zu
können. Aber seine Ohren hörten nun schärfer und sogen
allerhand Geräusche und Stimmen in sich ein. Er hörte das
ferne Brummen eines Grislybären, das Ratteln einer
Klapperschlange, hörte einen Iltis scharren und kratzen. Doch das
gemächliche Schlagen riesiger Raubvogelschwingen in der Luft, das
er deutlich vernahm; ließ ihn erschrocken hochfahren. Bobby
riß die Augen auf, sah aber statt eines Vogels eine schwarze
zerrissene Wolke, die im Begriffe war, den Mond zu verdunkeln. Sie
hatte die Gestalt des finsteren Mr. Jim, der gen Osten eilte. Deutlich
sah Bobby vor der hellen Mondscheibe die wohlbekannte krumme
Habichtsnase.
Schnell war Bobby auf den Beinen; eine dunkle Ahnung beschlich ihn. Seiner Marygold drohte Gefahr - er mußte, ohne zu säumen, ihr zu Hilfe eilen. - Er schloß seine Reisetasche und bemerkte nicht, daß die listige Klapperschlange, deren Ratteln er im Halbschlaf gehört, sich hineingeschlichen hatte und nun zwischen den sieben Sachen zusammengerollt und verborgen lag.
Der Morgen dämmerte - ein dünner Rauchfaden stieg aus dem verglimmenden Feuer - Bobby eilte davon. Drei Indianer in Kriegsausrüstung mit Bogen, Messer, Tomahawk schlichen ihm auf unhörbaren Sohlen nach zick-zuck-zack! Auf engen, steilen Pfaden zog der ahnungslose Bobby nun durch zerklüftete Schluchten. Wie Katzen blieben die Indianer dem Bleichgesicht auf den Fersen. - Kein Laut unterbrach die feierliche Stille. Die Welt hielt Feiertag! Bobby empfand es in seiner dankbaren Dichterbrust:
O, schöner Frieden der Natur -
Ach, wenn wir Menschen friedlich nur,
Dann...
Zuck! - ein vergifteter Pfeil saß dem Dichter in seiner Melone. Bobby kam nicht dahinter, was es gewesen war - ein Stein? ein Vogel? Er drehte sich um, horchte und guckte - kein Mensch, kein Vogel war zu sehen. Erledigt! Bobby ging weiter und wieder regte ihn dieses und jenes an, Verse zu schmieden:
Romantisch - dieser Wasserfall!
So etwas gibt's nicht überall.
Sieh, wie die Blumenaugen lachen!
Man könnt' vor Freuden Sprünge machen.
Inzwischen hatten die Indianer Umklammerungspolitik getrieben.
Zickzuck-zack! Der dritte war an einer Felskuppe hinauf und über
Bobbys Kopf hinweg geklettert.
Die Rothäute hatten den jungen Mann
in der Mitte. Einer der beiden hinter ihm erhob jetzt seinen Tomahawk
und schleuderte ihn - zack! - hinterrücks gegen Bobby. Der aber
bückte sich gerade in diesem Augenblick, um ein paar Blumen zu
pflücken. Das scharfe Beil sauste über Bobby hinweg und
saß dem dritten Indianer, der vorn aus seinem Felsspalt
hervorlugte, mitten in der Stirn. Er fiel lautlos in sein Versteck
zurück und war sofort tot. Bobby hatte von alledem nichts bemerkt,
steckte die Blumen in seinen Westenausschnitt und ging weiter. Aber der
enge Pfad hörte auf, er stand mit einem Male vor einem tiefen,
gähnenden Abgrund.In seiner Bestürzung hörte Bobby
nicht, daß - zick! - ein zweiter Tomahawk in den Bügel
seiner Reisetasche schlug und dort festsaß. Er fühlte
vielmehr seinen Puls heftig schlagen und mußte sich einige
Sekunden verschnaufen. Bald zog ein mächtiges, längliches
Felsstück, das - ihm linker Hand - hoch an der Wand gelehnt stand,
seine Aufmerksamkeit an. Bobbys Erfindungsgabe wurde wach. Er nahm sich
vor, mit diesem Stein eine comfortable Brücke zu bauen. Schon
klemmte sich Bobby dazwischen und drückte ihn von der Wand ab; -
knarrrrrrks! ! - die zweite Rothaut, die unter dem Felsblock auf der
Lauer lag, wurde breit gedrückt und konnte ihren Todesruf erst in
den Gefilden ihrer Väter ausstoßen.
Der Stein war sonst richtig gefallen
und erreichte als
Stützpunkt - wenn auch nur knapp - die gegenüberliegende
Felspartie. Vorsichtig schickte sich Bobby an, die Brücke zu
betreten; es bröckelte hier und da und rutschte, aber Bobby machte
sich ganz leicht.
Hinter ihm,voll Blutdurst und voll Rachgier, nahm ihn
jetzt der letzte Indianer aufs Visier. Er war die "hakenschwänzige
Schlange", ein Häuptling vom Donnersberg. Sein Adlerblick zeigte
unumwunden, daß diese Minuten entscheidend sein sollten,
daß er das freche Bleichgesicht fassen und dem Marterpfahl
übergeben wollte. Mit einem Jaguarsprung setzte er dem Dichter
nach, der schon mitten auf der Brücke war. Da der Stein bedenklich
rutschte, machte Bobby schnell entschlossen einen letzten Sprung und
war drüben. Durch diesen Umstand sprang der Indianer zu kurz, die
Brücke wich und sauste mit ihm in den klaftertiefen Schlund. Das
Skalpmesser war des Häuptlings Hand entglitten und flog
spiralenförmig in Bobbys Rockschlippchen, wo es hübsch sitzen
blieb. -
Alle drei Indianer waren tot, ohne daß Bobby die drohende große Gefahr geahnt hätte. So wenig er diese erkannt hatte, so wenig wußte er auch, daß ihm ein vergifteter Pfeil im Hute, ein Tomahawk im Kofferbügel und ein Skalpmesser im Rockschoß saß. Er wußte auch nicht, daß er statt der 1000 Dollar, die ja Marygold in Verwahrung hatte, eine Klapperschlange in seiner Handtasche trug. Wir werden sehen, welch' vielerlei Nutzen ihm diese Dinge noch bringen.