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Sechstes Abenteuer Bobby Box' - Gefahrzone

Bobby Box hatte festgestellt, daß man nicht unbedingt arm sein muß, um Verse machen zu können. Der "1000 Dollar" reiche Poet hatte, während er darauflos marschierte, schwärmerisch gedichtet, und die Muse der Dichtkunst, die in seinem Geiste nur wie Marygold aussehen konnte, hatte ihn oft geküßt. Durch romantische Kakteenhaine führte ihn nun sein Weg. Die stachelige Opuntia in ihren grotesken Formen wirkte sich in seiner Phantasie zu wunderlichen Gebilden aus und die Säulenkakteen, die in ihrer aufstrebenden Gestaltung wie mächtige Orgelpfeifen emporragten, gaben zu den sonderbarsten Sinnestäuschungen Anlaß. Er hörte brausende Akkorde vom Himmelsgewölbe widerhallen und sah zu dieser mächtigen Musik die turmhohen Gewächse wie in einem bengalischen Feuerwerk aufleuchten. Doch er wußte nicht, wie ihm geschah; alles das war plötzlich verschwunden, - er stand auf einmal in einer endlosen Wildnis. Grüne und blaue Blitze zersplitterten in der Ferne ein Felsengebirge und triumphierend rollte dazu der Donner. Es roch nach Quarz und Ozon. Bei jedem Blitz entluden sich aus dem Innern des Poeten die verborgensten Energien, die ihm gleich farbigen Strahlen aus Nase, Mund und Ohren leuchteten. Bild 48. Bobby unter Hochspannung Bobby war völlig irritiert. - Weithin hörbar dröhnte der Erdboden von einer flüchtenden wilden Büffelherde. Als Bobby sich erschrocken umsah, nahm ihm ein Windstoß seinen schönen Melonenhut und trug ihn ein Stückchen fort. Der Dichter eilte hinterher; doch er traute seinen Augen nicht - sein Hut hatte plötzlich Beine bekommen und sprang vor ihm in hohen Sätzen davon. Schnell hatte Bobby den Ausreißer mit seinem Stockgriff erfaßt und sah nun, daß im Hute ein großer Ochsenfrosch saß, der schrecklich quakte und zappelte. Nun fing es ringsherum und von allen Seiten an zu quaken; Bobby bemerkte jetzt, daß die ganze Ebene voller Ochsenfrösche saß, die alle ihre glotzenden Augen nach einer Richtung gekehrt hatten und sich das Gewitter anschauten. Seine Kopfbedeckung war also auf eine solche Kröte gefallen. Bobby lachte. Sein Lachen aber erstarb auf seinen Lippen - die Büffelherde war umgekehrt und der Leitstier so groß wie ein Berg, wälzte sich auf ihn zu.

Bild 49. Der Kampf mit dem Bison Das war eine schwierige Situation; jetzt hieß es: "Bobby, steh deinen Mann!" Der Dichter aber dachte sich blitzschnell: "Mit flinken, sprunghaften Versen müßte man diesem unförmigen und behaarten Plumpudding zu Leibe rücken können!" Mit einem Satz war er hinten am Schwanzende des Büffels und schlug ihm mit seinem Stock feste was hinten vor. Der Koloß rollte mit den Augen und drehte sich schnaubend nach Bobby um. Der aber hielt sich hinten an der Quaste fest, prügelte immer weiter und dichtete dazu. Nun begann ein Kreiseldrehen, als ob ein Hund sich in den Schwanz beißen möchte.

Ein Stierkampf wie in Spanien
Mit List und auch Schikanien.
Ich treib' das Tier im Kreis herum,
Das wird im Kopf ganz schwindeldumm.
(Die Kampfmethode ist von mir.)
Torero - Sieg! Es liegt der Stier!

Dem Büffel war so schwindelig geworden, daß er sich in den Sand legte und seinen gewaltigen Kopf hin und her schüttelte. Bobby bückte sich und griff nach Hut und Reisetasche. Dabei zeigte er so schön den Podex, daß der Büffel nicht widerstehen konnte; er sprang auf und gab Bobby einen tüchtigen Puff. Fffffff - unk! Das war von dem Bullen eine Rekordleistung.

Bobby verspürte in den Ohren ein Sausen - er flog hoch hinauf auf ein Berg-Plateau. Obgleich dem Dichter das Sausen noch lange in Kopf und Ohren lag, nahm er sich doch Muße, die weite und herrliche Felsenlandschaft zu betrachten. Ein Hungergefühl machte sich bei ihm bemerkbar. Er steckte ein kleines Feuer an und entnahm seiner Reisetasche, was er sich von Brack Bell mitgenommen hatte. Herzhaft biß er in ein lederhartes Stück Rindfleisch und schaute dabei gedankenvoll in den aufsteigenden Mond. - Herzhaft? -

Herzhaft - ist ein Geheimnis nur.
Kennst du das kleine Wort ,Amour'?
O, Wunder über Wunder!
Mein Herz flammt auf wie Zunder.
Am Firmament- dort in den Fernen
Steht 'Marygold' in Mond und Sternen!

Lange noch saß Bobby in den Anblick des großen Mondes versunken, der ihm wie in einem traumhaften Spiegelbild Marygolds Gesicht zeigte. Dann schlief er von Müdigkeit überwältigt ein. Bild 50. Marygold - schön wie der Mond Hatte er seine Augen nicht geschlossen? Unten in der Ebene sah er die Büffelherde sich in soldatischer Formation aufstellen. Der Leitstier machte seinen Tieren vor, wie man sich im Kreise dreht, und die ganze Herde machte es ihm in rasender Geschwindigkeit nach. Durch das viele Drehen wirbelte der Staub auf und verdichtete sich zuletzt zu einer Wolke, die die ganze Herde unsichtbar machte. Bobby drehte sich auf die andere Seite und legte einen Arm fest über seine Augen. Jetzt lenkte ihn nichts mehr ab, und er hoffte, so schlafen zu können. Aber seine Ohren hörten nun schärfer und sogen allerhand Geräusche und Stimmen in sich ein. Er hörte das ferne Brummen eines Grislybären, das Ratteln einer Klapperschlange, hörte einen Iltis scharren und kratzen. Doch das gemächliche Schlagen riesiger Raubvogelschwingen in der Luft, das er deutlich vernahm; ließ ihn erschrocken hochfahren. Bobby riß die Augen auf, sah aber statt eines Vogels eine schwarze zerrissene Wolke, die im Begriffe war, den Mond zu verdunkeln. Sie hatte die Gestalt des finsteren Mr. Jim, der gen Osten eilte. Deutlich sah Bobby vor der hellen Mondscheibe die wohlbekannte krumme Habichtsnase.

Die unheimliche Nachtwolke

Schnell war Bobby auf den Beinen; eine dunkle Ahnung beschlich ihn. Seiner Marygold drohte Gefahr - er mußte, ohne zu säumen, ihr zu Hilfe eilen. - Er schloß seine Reisetasche und bemerkte nicht, daß die listige Klapperschlange, deren Ratteln er im Halbschlaf gehört, sich hineingeschlichen hatte und nun zwischen den sieben Sachen zusammengerollt und verborgen lag.

Der Morgen dämmerte - ein dünner Rauchfaden stieg aus dem verglimmenden Feuer - Bobby eilte davon. Drei Indianer in Kriegsausrüstung mit Bogen, Messer, Tomahawk schlichen ihm auf unhörbaren Sohlen nach zick-zuck-zack! Auf engen, steilen Pfaden zog der ahnungslose Bobby nun durch zerklüftete Schluchten. Wie Katzen blieben die Indianer dem Bleichgesicht auf den Fersen. - Kein Laut unterbrach die feierliche Stille. Die Welt hielt Feiertag! Bobby empfand es in seiner dankbaren Dichterbrust:

O, schöner Frieden der Natur -
Ach, wenn wir Menschen friedlich nur,
Dann...

Zuck! - ein vergifteter Pfeil saß dem Dichter in seiner Melone. Bobby kam nicht dahinter, was es gewesen war - ein Stein? ein Vogel? Er drehte sich um, horchte und guckte - kein Mensch, kein Vogel war zu sehen. Erledigt! Bobby ging weiter und wieder regte ihn dieses und jenes an, Verse zu schmieden:

Romantisch - dieser Wasserfall!
So etwas gibt's nicht überall.
Sieh, wie die Blumenaugen lachen!
Man könnt' vor Freuden Sprünge machen.

Inzwischen hatten die Indianer Umklammerungspolitik getrieben. Zickzuck-zack! Der dritte war an einer Felskuppe hinauf und über Bobbys Kopf hinweg geklettert. Bild 51. Der vergiftete Pfeil Die Rothäute hatten den jungen Mann in der Mitte. Einer der beiden hinter ihm erhob jetzt seinen Tomahawk und schleuderte ihn - zack! - hinterrücks gegen Bobby. Der aber bückte sich gerade in diesem Augenblick, um ein paar Blumen zu pflücken. Das scharfe Beil sauste über Bobby hinweg und saß dem dritten Indianer, der vorn aus seinem Felsspalt hervorlugte, mitten in der Stirn. Er fiel lautlos in sein Versteck zurück und war sofort tot. Bobby hatte von alledem nichts bemerkt, steckte die Blumen in seinen Westenausschnitt und ging weiter. Aber der enge Pfad hörte auf, er stand mit einem Male vor einem tiefen, gähnenden Abgrund.In seiner Bestürzung hörte Bobby nicht, daß - zick! - ein zweiter Tomahawk in den Bügel seiner Reisetasche schlug und dort festsaß. Er fühlte vielmehr seinen Puls heftig schlagen und mußte sich einige Sekunden verschnaufen. Bald zog ein mächtiges, längliches Felsstück, das - ihm linker Hand - hoch an der Wand gelehnt stand, seine Aufmerksamkeit an. Bobbys Erfindungsgabe wurde wach. Er nahm sich vor, mit diesem Stein eine comfortable Brücke zu bauen. Schon klemmte sich Bobby dazwischen und drückte ihn von der Wand ab; - knarrrrrrks! ! - die zweite Rothaut, die unter dem Felsblock auf der Lauer lag, wurde breit gedrückt und konnte ihren Todesruf erst in den Gefilden ihrer Väter ausstoßen. Der Stein war sonst richtig gefallen und erreichte als Stützpunkt - wenn auch nur knapp - die gegenüberliegende Felspartie. Vorsichtig schickte sich Bobby an, die Brücke zu betreten; es bröckelte hier und da und rutschte, aber Bobby machte sich ganz leicht. Bild 52. Horror am Abgrund Hinter ihm,voll Blutdurst und voll Rachgier, nahm ihn jetzt der letzte Indianer aufs Visier. Er war die "hakenschwänzige Schlange", ein Häuptling vom Donnersberg. Sein Adlerblick zeigte unumwunden, daß diese Minuten entscheidend sein sollten, daß er das freche Bleichgesicht fassen und dem Marterpfahl übergeben wollte. Mit einem Jaguarsprung setzte er dem Dichter nach, der schon mitten auf der Brücke war. Da der Stein bedenklich rutschte, machte Bobby schnell entschlossen einen letzten Sprung und war drüben. Durch diesen Umstand sprang der Indianer zu kurz, die Brücke wich und sauste mit ihm in den klaftertiefen Schlund. Das Skalpmesser war des Häuptlings Hand entglitten und flog spiralenförmig in Bobbys Rockschlippchen, wo es hübsch sitzen blieb. -

Alle drei Indianer waren tot, ohne daß Bobby die drohende große Gefahr geahnt hätte. So wenig er diese erkannt hatte, so wenig wußte er auch, daß ihm ein vergifteter Pfeil im Hute, ein Tomahawk im Kofferbügel und ein Skalpmesser im Rockschoß saß. Er wußte auch nicht, daß er statt der 1000 Dollar, die ja Marygold in Verwahrung hatte, eine Klapperschlange in seiner Handtasche trug. Wir werden sehen, welch' vielerlei Nutzen ihm diese Dinge noch bringen.

Bobby entkommt

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