Durch die weiten Steppen Arkansas', durch Sonnenbrand, hohes Gras und lichten Busch wälzen sich träge die Fluten des Mississippi. - Eine Tagreise von Greenville entfernt hatte ein Ohio-Dampfer nach längerer Rast die Trossen gelöst, um weiter stromaufwärts zu fahren. Schwere Sottfahnen hingen aus den Schornsteinen des mächtigen Raddampfers. Sein Name "Ballerich" stand vorn dick mit Teer drauf geschrieben. - Uuuuuuuuuuu !! dröhnte es durch die flimmernde Luft, und der Mann auf der hohen Brücke gröhlte: "Los!" -
Da kam vom öden Land her noch ein verspäteter Fahrgast im
Galopp. Es war Bobby Box mit seiner großen Reisetasche, der ein
"Stopp!" über das andere rief. Aber das Schiff hatte den Steg
schon ein gut' Stück verlassen, und Bobby rannte den Bootsleuten
in die Arme.
Das waren zwei riesige Neger mit
weißglühenden
Augen. "Anschluß ist verpaßt, Sir!" lachten die beiden
Schwarzen und machten sich einen Spaß daraus, den feinen Herrn
mal herzukriegen. - "Hohohohooooo!!" Bobby Box wurde einige Male hin
und her gependelt und flog dann in hohem Bogen übers Wasser. Bobby
war expediert. Er erreichte das Schiff noch "per Backbord" - das tat
scheußlich weh. - "Au!" Der Schwung wirkte so kräftig,
daß Bobby weiter flog, durch eine Tür flitzte und in einen
tiefen Ladeschacht fiel, der ihm mit finsterer Leere
entgegengähnte. Glücklicherweise hatte sich der Griff seiner
Reisetasche in den Haken der Winde eingeklemmt und nun ging es - am Tau
hängend - klaftertief hinunter. - Klaftertief? Das schien nur so;
Bobby schwebte ganz langsam abwärts. Am anderen Ende der Winde
hing nämlich eine Orangenkiste, die fast so schwer war, wie Bobby
selbst, und die sein eigenes Gewicht bis auf ein Weniges aufhob. Also
ein Gleichgewichtsexempel, wie es im Lehrbuch steht. Bald war Bobby
unten und die Orangenkiste oben. Plumps! - "Das ging großartig,"
meinte Bobby, "aber..." Rrrrrrrr! Rrrrrrrr! - sauste von oben die Kiste
herunter. Kraaaackss!! Das Holz zersplitterte, die Orangen sprangen wie
Gummibälle nach allen Seiten. "Hu! - die hätte mich
plattgemacht!!" dachte Bobby Box ganz verwirrt und stieß dabei
hinten an eine hängende Bananenstaude, die ihn mit ihrem Duft
einhüllte.
Ah! - es lachte etwas Greifbares, etwas für Herz und Leib - Bananen! Bobby griff hinein in die langen Früchte und verproviantierte sich. Dann wühlte er im Dunkeln des Laderaumes wie ein Maulwurf und strebte lichtan. Endlich hatte er eine Sprossenleiter gegriffen, die ihm geeignet erschien. Er kletterte hinauf. - Vorsicht! - dabei stieß er oben an eine Decke - eine Luke lüftete sich. Hier also führte der Weg zurück zu seinen Zeitgenossen. Vergnügt schob Bobby Tasche, Stock und Hut durch die Klappe aufs Schiffsdeck. Doch bevor er selbst aus der Luke stieg, machte er sich über die Bananen her, und sang mit vollem Mund:
Mimmele, mammele, mumm!
Bananen machen dumm,
Bananen machen 'nen kleinen Fuß,
Drum send' Ich dir ein Paar zum Gruß. -
Mimmele, mammele, mumm!
Eine Bananenschale nach der anderen flog aus der Luke. - Auf Deck war alles eitel Wonne. Man lag in der Sonne, plauderte, streckte sich und faulenzte. Drüben auf den langen Bänken saßen zwei alte Globetrotter in Zylinderhüten - Mister Ix und Master Ypsilon - und logen sich gegenseitig die Hucke voll. Aber die Strafe folgte auf dem Fuße. Schwipp - schwapp! zwei Bananenschalen kamen geflogen und klebten den Beiden plötzlich an der Nase wie nasse Fledermäuse. Wutschnaubend suchten sie nach dem Übeltäter. Bobby Box schwang sich gerade akrobatenhaft leicht aus der Luke heraus. Er war von dem, was er nun sah, vollständig eingenommen und bezaubert.
Unter
einem der Schornsteine saß auf Kistchen, Taschen und
Köfferchen ein außergewöhnlich schönes
Mädchen mit einem Engelsgesicht. Ein weites Röckchen -
cremerosa mit vergißmeinnichtblauen Punkten - ein ganz kleiner
Sonnenschirm und ein noch kleineres Strohhütchen, standen ihr gut.
Sie lächelte holdselig über Bobbys Kunststücke. Dieser
aber war Kavalier. Voll Grandezza bot er dem lieblichen Mädchen
eine Banane an, nicht bevor er die Schale der Frucht nach allen Seiten
heruntergezogen hatte, um sie so wie eine Blume zu überreichen. -
"Ich bin ein Dichter und mache Verse!" stellte er sich galant vor und
machte ein Sonntagsgesicht. Sie nahm die Bananenblume mit einem feinen
Lächeln und sagte ganz leise: "Marygold". Bobby konnte nichts
anderes daraus entnehmen, als daß dieses klangvolle Wort
"Marygold" ihr Name sei. In seiner gehobenen Stimmung fühlte er
plötzlich einen leichten Schreck, der wie etwas Dumpfes in ihn
drang. Einem Schatten gleich, glaubte er hinter dem Mädchen eine
düstere Gestalt zu entdecken, die ihre stechenden Blicke auf ihn
gerichtet hatte. "Him-hem-ham-hum!" hörte er die Gestalt murmeln.
Ein teuflischer Rhythmus lag in diesem "Him-hem-ham-hum". "Das ist der
Teufel!" ; davon war Bobby Box überzeugt, und es war
plötzlich in seinem Dichterherzen eine ausgemachte Sache,
daß da, wo in der Welt ein Engel zu finden ist, es auch einen
Teufel geben müßte.
Er hatte
keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn Ix und Ypsilon
stürzten sich vor Wut platzend auf ihn. Die heiße Luft
drückte in diesem Augenblick den Schornsteinqualm auf das Deck
nieder und hüllte Bobby Box ein, was den beiden Wüterichen
recht hinderlich wurde. Sie packten trotzdem fest zu. - "O Bobby, wie
wird es Dir ergehn?!" flüsterte Marygold, die alles mit ansehen
mußte. Ping, pang! - es blitzten die Sterne, man hörte die
Schläge, wie sie saßen, obwohl man vor Rauch und Qualm
nichts sehen konnte. Doch als der Rauch sich erhob, mußte
Marygold laut und anhaltend lachen. Mister Ix und Master Ypsilon
verkeilten sich beide ganz fürchterlich, und Bobby Box, der sich
gleich hinter den Schornstein geflüchtet hatte, lachte jetzt mit
Marygold um die Wette. Hoho hihi! - hoho hihi!! die ganze Luft hing
voller Lache. Bobby Box hörte zwischen dem Lachen das unheimliche
"Him-hem-ham-hum"; er schielte zu Marygold hinüber und sah gerade
noch, wie sie der dunklen Gestalt hinter sich einen Klaps mit dem
Sonnenschirm verabreichte. - "Still Jim! und benimm dich!" hörte
Bobby sie dabei sagen und nun wußte er auch, daß der Teufel
"Jim" hieß.
Als er so hinter dem Schornstein hervorlugte, sah er auch noch zwei
ganz kleine und sonderbar gekleidete Jungen, die mit Pusterohren und
allen möglichen Schabernacken den Fahrgästen von hintenrum zu
Leibe gingen. Darauf hörte er eine gellende weibliche Stimme: "Wo
sind meine beiden Diabolen?!" Bobby stand noch immer gebückt
hinter dem Schornstein, und ihm kam alles, was er sah und hörte,
traumhaft vor. Als er über alles noch einmal nachdachte, ahnte er
nicht, daß die beiden Diabolen auch schon hinter ihm waren und
ihm hinterlistigerweise eine kleine Flasche an den Rockschoß
banden, auf der mit großen Buchstaben "Nitroglyzerin" zu lesen
war. -
Da tönte die Schiffsglocke, und der Dampfer hielt. Bobby Box griff nach Reisetasche und Spazierstock; Gutes und Böses drängten sich in seinem Kopfe. Aber die Sonne strahlte so schön, daß er gleich wieder an zu dichten fing:
Die Mississippifahrt war schön.
Adieu, partie - auf Wiedersehn !