n einem alten, gut-deutschen Städtchen, das sich friedlich im
Wasser eines Flusses spiegelte, lebte ein armes Ehepaar, Michel
genannt. Er hatte ein bodenständiges Pech, und wenn sie, eine
Schneiderin, es nicht mit der Nadel gehalten hätte, es wäre
gar oft arg gegangen. Beide aber hofften auf bessere Zeiten und
träumten, wie es in der Not üblich ist, von dem großen
Glück, das einst kommen würde. Vorläufig gab es
täglich neue Plage.
Ihre größte Plage aber war ihr Sohn, der Dilldapp. Dilldapp war gut, hatte aber statt Verstand nur einen dicken Kopf, so daß er alles überzwerch verstand und verkehrt ausführte. Nichts half. Selbst Naschereien, die Vater und Mutter ihm verabreichten, wie Ohrfeigen, Kopfnüsse oder Nasenstüber konnten es nicht schaffen. "Du Tölpel, Schafskopf, Tollpatsch, Dähmel, Dummerjan", so ging's den ganzen Tag. Unbekümmert dessen vertrieb Dilldapp sich sein Dasein mit Essen, Trinken und Tellerlecken, so daß er dick wurde wie ein Mehlsack, fett wie ein Aal, glänzend wie eine Zwiebel, rot wie ein Trompetermantel und unförmlich wie ein ausgestopfter Mops. Schwer brachte man ihn von der Ofenbank. - "Dilldapp, bring mir Wachs!" Dann brachte der dumme Dilldapp Flachs. - "Bring mir Zwirn!" Dilldapp brachte eine Birn. Er brachte alles verkehrt. Statt Schneiderscher - Schweineschmer; statt Papier - eine Maß Bier; statt Futterzwilch - Buttermilch; statt Stopfnadeln - Topfladen usw. Eines Tages wollte die Mutter bügeln und rief: "Dilldapp hol' mir Rock und Eisen!" Dilldapp ging weg, kam nach Stunden zurück mit einem Bock und zwei Geisen...
Da nahm Frau Michel eine Hechel und schlug sie ihm um den Kopf. Das
knallte so heftig, daß Dilldapp erschrak und die Treppe
hinunterlief. Er geriet in ein solches Laufen bergab und bergauf, durch
Wälder und Felder, Land und Sand, Stock und Stein, Distel und
Dorn, daß er nicht eher aufhörte, bis er nichts mehr sah vor
lauter Nacht. Die Sonne hatte er schon über den Haufen gelaufen
und der Abendröte hatte er die bunten Fensterscheiben eingerannt.
Da hingen die Sterne ihre tausend Laternen zum
Himmel heraus und der
Mond zog als Nachtwächter auf die Wache, um zu sehen, wer so
erbärmlich laufe.
Dilldapp lief
ohne Ende. Gegen Morgen kam er an einen Bach. Die Frösche, die
über Dilldapps dummes Aussehen lachten, riefen ihm zu: "Dilldapp,
lauf nicht übern Steg; es ist besser, du springst hinüber!"
Dilldapp glaubte, es sei wirklich besser, sprang und fiel ins Wasser.
Plumps!! - Das platschte nicht schlecht. Als Dilldapp aus dem Wasser
kroch, hüpften die Frösche die kreuz und die quer über
ihn hinweg und lachten noch lauter als vordem. Nun war Dilldapp zur
Besinnung gekommen, ließ das Laufen sein, blieb im Walde stehen
und schaute sich nach allen Seiten um. - "Da bist du schön
reingefallen, du Tölpel!" plusterte eine Eule. Ein Rabe rief vom
nächsten Baum: "Heda! Dilldapp, Du mußt Hunger haben; greif
rechter Hand in das Erdloch, es sind Zuckerbretzeln drin!" Dilldapp
glaubte es und griff hastig in das Loch. Es war ein Fuchsbau, und
Reinicke, der schon gelauert hatte, biß ihn in die Finger. "Au!"
schrie Dilldapp und fiel vor Schreck hintenüber, direkt in einen
großen Ameisenhaufen. Sofort hatten ihn die Ameisen
vollständig eingehüllt. Ob dieses Spaßes wurde es
ringsherum lebendig. Die Käuze und Finken, Spechte und Raken,
Libellen und Käfer, die Füchse und Dächse rumorten und
lachten; selbst die Blindschleichen, Echsen und Kröten raschelten
heftig und hatten weidlich ihr Vergnügen. Ha-ha und Hum-hum und
Quackelaquack: "Du Tölpel, Schafskopf, Tollpatsch, Dähmel,
Dummerjan!" so ging es unter Lachen in dem Walde. Dilldapp wühlte
sich heraus, wischte sich das krabbelnde Getier aus den Augen und
versuchte davonzukommen, stolperte aber und fiel auf einen Felsblock.
Dieser vermeintliche Felsblock war ein lagernder Waldesel, der mit
Dilldapp auf dem Rücken aufsprang und davoneilte. Als Dilldapp
sich einigermaßen aus seiner schwarzen Ameisenhülle befreit
hatte, trabte der Esel gerade mit ihm in eine tiefe Felsschlucht
hinein.
Hier saß in
magischer Beleuchtung ein großes dickes Ungeheuer, von einer so
außerordentlich ausgedehnten Herzensgüte, daß man sie
mit Ellen ausmessen konnte. - "Oh, Mama! wie abscheulich !" - Das
Gesicht des Ungeheuers war dick wie ein Pfefferballen; seine Nase so
breit wie ein Blasebalg; seine Augen so groß und rund wie die
Räder an einem Schiebkarren; sein Mund gähnend breit, wie die
Brieftasche eines Postmeisters. Dilldapp sprang vom Esel und redete
sein übliches dummes Zeug, woraus der Popanz erkannte, daß
solch närrisches Gerede nur von einem Dilldapp herrühren
könne. Er schüttelte sich vor Lachen und auch Dilldapp
lachte. - " Wohlan! bleib hier", sagte das Ungeheuer. So trat Dilldapp
in seine Dienste. Er hatte nichts weiter zu tun, als dem dicken Popanz
den Rücken zu kratzen, weil er es wegen seiner Leibesfülle
nicht selber konnte.
Aber der war nicht undankbar und kratzte währenddessen den
ehrlichen Dilldapp wieder, worüber sie dann gewöhnlich in
Gesellschaft einschliefen. - Nach einem Jahr sagte das Ungeheuer zu
Dilldapp: "Deine Eltern warten daheim auf dich. Geh zu ihnen
zurück. Du hast mir treu gedient, zum Lohne schenke ich dir meinen
Waldesel. Jedoch knüpfe ich eine Bedingung an dieses Geschenk; du
darfst niemals den Schwanz des Esels erfassen und glauben, es sei der
Griff einer Pumpe!" - "Danke", sagte Dilldapp und zog mit dem Esel
davon. In der nächsten Waldlichtung blieb Dilldapp stehen. Damit
er das Verbot nicht vergäße, wiederholte er die Worte des
Popanz: "Du sollst nicht glauben, der Schwanz des Esels sei ein
Pumpengriff!"
Während er sich die Worte ins Gedächtnis zurückrief,
hatte er beiläufig den Schwanz des Esels erfaßt und pumpte
schon. Da fielen aus dem Esel harte, blanke, goldene Taler, eine ganze
Menge. Dilldapp war zu dumm, um erstaunt zu sein. Er zog seine Jacke
aus, band die Ärmel zusammen und machte aus ihr einen Geldsack,
ritt zum ersten besten Wirtshaus, bestellte eine mächtige
Schüssel Hirsebrei und hängte seinen schweren Geldsack
über sich an die Wand. Dilldapp aß nach Herzenslust und gab
auch seinem Esel reichlich. Als der Wirt mit der Rechnung kam, fragte
Dilldapp: "Herr Wirt, was sind Sie mir schuldig?" "Alle Ehr' und
Respekt," erwiderte der Wirt, "ich bekomme doch etwas von Ihnen." - "
Wie viel?" Der Wirt hatte den Dilldapp als solchen erkannt und rechnete
ihm die Zeche vor: "Einen zwanzigfachen Hirsebrei, mein Herr, macht 25
Taler, Wein und Bier keines - macht zusammen 50 Taler; Logis keines -
75 Taler, Bund Stroh, Stallung für den werten Esel - 100 Taler, 25
mal die Mütze abgezogen -125 Taler; und 25 mal nach Ihrem Namen
gefragt, macht zusammen 150 Taler, - Bitte !" - "Das ist sehr billig",
sagte Dilldapp und griff in den Geldsack. - "Ei! was haben Sie da
Schweres an der Wand hängen?" meinte der Wirt, "das muß Sie
ja bei der Reise stark behindern?" - "Da haben Sie recht, Herr Wirt.
Wollen Sie so gut sein und den Sack an sich nehmen? Sie können
sich die 150 Taler herausnehmen und das übrige wegwerfen!" -
Darauf bestieg Dilldapp seinen Esel und trabte vergnügt seiner
Vaterstadt zu.
Als er in die Stadt hineinkam, ritt er zackzack die engen Gassen zu
seinen Eltern hinunter, band den Esel vor die Tür und lief
schnurstracks ins Haus hinein. Vater Michel und die Mutter hatten ihn
kaum erblickt, als sie ihn auch schon umarmten. Dilldapp weinte vor
Freude. Auf einmal rief er: "Meine lieben Eltern, ihr braucht euch
nicht mehr zu plagen; ich bringe einen Esel mit, der mehr Gold gibt,
als ihr euch jemals hättet träumen lassen. - Draußen
steht er!" Alle stürzten vor die Tür und sahen in der Tat
einen Esel. Dilldapp ergriff den Eselsschwanz, pumpte und schrie:
"Gold! Gold! Gold!" -
Nun ging es die
Brennerzeile hinauf und die Spatzengasse hinunter, es ging durch die
ganze Stadt: "Der Dilldapp, der dumme Michel, hat das Glück mit
nach Hause gebracht!". Ja - Kinder und Toren haben das Glück bei
den Ohren. Alle Welt lief zusammen und drängte sich um Michels
Haus. Die Menschen zeigten ihr wahres Angesicht; sie waren voller
Mißgunst und Neid. Berichterstatter und Kund-
schafter,
Steuerbeamte und sonstige Anstalts- und Amtspersonen ließen den
Micheln keine Ruhe mehr. Und es wurde immer ärger.
Schließlich und zuletzt kam die Kriminal-Polizei, interessierte
sich voller Mißtrauen für die Angelegenheit und sagte: Ha!
... Ha! Nun erkannte die Familie Michel, daß das, was sie sich
einstmals erträumt hatte, gar nicht das große Glück
sei, sondern daß es vielmehr ein friedliches und beschauliches
Leben ist, was das sogenannte Glück hier in diesem Dasein
ausmacht, daß es aber nie und nimmer das Gold ist. - Nun
wünschten sie sich, der Zauberesel möge nicht anders sein,
wie jeder gewöhnliche Esel. Eines Morgens nahm der Dilldapp auf
Geheiß seines Vaters das Tier am Halfter, um es in den Wald
zurückzuführen. Die ganze Stadt lief den beiden hinterdrein.
Einige Buben faßten an den Schwanz des Esels und pumpten. Da gab
es ein großes Gelächter und alles rief: "Dilldapp, du
Dummerjan, das ist doch kein Gold; es ist ja nur ein Eselsdreck!"