un lebte ich in Bagdad auf meinen Gütern in höchster
Gemächlichkeit, Zufriedenheit und Heiterkeit. Gerade so, wie wir
jetzt anstoßen wollen, meine edlen Herren, kreiste allabendlich
der Wein in den Bechern, in froher Runde meiner Gefährten und
Freunde; jeder war des Dankes voll und lobpreiste den Herrn, daß
ich nach all den Irrsalen meiner abenteuerlichen Fahrten nun endlich,
in meinem Vorsatz gefestigt, gesund und mit heiler Haut, in Wohlstand
und Sicherheit gelandet war." Sindbad der Seefahrer erhob seinen Becher
und trank seinen Zuhörern einen kräftigen Schluck zu. -
"Doch," fuhr er mit erhobener Stimme fort, "ich hatte des Seeteufels
nicht gedacht, der draußen auf dem weiten Meere nach wie vor auf
mich lauerte. Auf einem harmlosen Spaziergang am Strande war ich
ahnungslos - mag der Himmel wissen, wie es geschehen - unter Kaufleute
auf ein Schiff geraten, welches, ohne daß es mir so recht
bewußt wurde, schon die Anker gelichtet hatte und mit flottem
Winde der offenen See zueilte. Der Teufel
hatte mir ein Schnippchen
geschlagen und hatte mich wieder in seinem Bereiche.
Wieder war es eine ferne Insel, an der wir Schiffbruch erlitten. Wieder
lobte ich Gott für meine Rettung und kroch, um mich vor einem
furchtbaren Unwetter zu schützen, in eine Höhle, deren
Eingang wie eine Tempelfassade in den Felsen des Meeresgestades gehauen
war. Als ich tiefer in das Verließ eindrang, bot sich mir ein
unvergeßlicher Anblick. Hier auf dem steinigen Höhlenboden
lagen wohlgeordnet wohl hunderte von menschlichen Gerippen, die
mit wertvollen Schmucksachen aus Gold und Edelsteinen geschmückt
waren. Einige trugen Kronen aus gediegenem Golde, andere waren mit
Halsbändern, Schnüren, Ringen und den verschiedenartigsten
Kleinodien behangen; Juwelen, Perlen und die seltensten Steine
erstrahlten. Nun erinnerte ich mich, daß es Völker gegeben
haben soll, die ihre Toten mitsamt ihrem Schmucke zu Grabe trugen. Mir
schwand vor solch unerhörten Reichtümern der Verstand; doch
das bessere Ich in mir siegte; ich wollte die Toten nicht berauben.
Übrigens gedachte ich meines eigenen Reichtums, dessen Umfang ich
selbst nicht zu ermessen vermochte. Mit ruhigem Gewissen legte ich
mich, während draußen zuckende Blitze die Nacht erhellten,
zwischen die mit Gold und Edelstein geschmückten menschlichen
Gebeine und schlief den Schlaf eines ehrbaren Menschen.
Als ich am nächsten Morgen die Höhle verließ, sah ich vor der Insel auf der ruhigen Wasserfläche einen herrlichen Kauffahrer liegen. Nun entdeckte ich auch einige Menschen, die an den Strand gerudert waren. Innerlich beglückwünschte ich mich zu diesem unerwarteten Zufall. Freudestrahlend ging ich auf die Leute zu. Der Schiffsherr, der mir meinen gebotenen Salem erwiderte, war höchlichst erstaunt, hier auf diesem weltverlassenen Meerfelsen ein Lebewesen anzutreffen. Er hatte während der letzten stürmischen Nacht die Orientierung verloren und war hier ratlos vor Anker gegangen. "Nehmt mich nur an Bord, edler Herr, ich alter vom Teufel gejagter Seefahrer werde schon den richtigen Kurs für euch finden. Doch vorher nehmt als Dank für meine Errettung das Geheimnis von dem unermeßlichen Schatz dieser Insel; geht dort durch jenen Felseingang, ihr werdet euch wundern!" Der Schiffsherr mit seinen Leuten stürzte hinein. Nun begann ein ameisenhaftes Treiben; bald waren den Toten ihre Reichtümer abgenommen und restlos auf das Schiff gebracht. Jetzt bedachte ich erst, daß es unklug von mir gehandelt war, den geldgierigen Menschen die geweihte Totengabe eines untergegangenen Volkes preisgegeben zu haben. Nur der Not gehorchend betrat ich die Planken des Schiffes, das jetzt von dem Fluche der Toten verfolgt werden mußte. Meiner Befürchtung war bald die grausige Wirklichkeit gefolgt. Ohne Veranlassung, ohne daß ein Sturm auch nur eine Rahe knickte oder eine Schiffsplanke leck wurde, versank das Schiff, wie von einer Geisterhand ins Wasser gezogen. Alles ertrank elendig; nur ich konnte, als begleite mich ein guter Geist, mühelos eine kleine Insel erreichen. Der Strand dieses Eilandes war dicht mit den Habseligkeiten und Gütern gestrandeter Schiffe bedeckt. Mir wurde schwindelig; auch hier wieder fand ich unerhörten Reichtum. Ein neues und banges Ahnen in meiner Brust sagte mir, daß dieses überreichliche Glück keinen guten Ausgang nehmen könne. Es mußte einem Menschen zum Verderben werden. Drei Tage lang hielt ich Einkehr in meine Seele und läuterte sie von allen schlechten Eigenschaften, von denen besonders die Gier nach Besitz die verderbenbringendste ist. Trotzdem nahm ich mir vor, so viel wie nur möglich, von dem Reichtum, der in Haufen um mich verstreut lag, nach Bagdad zu schaffen, um es den wirklich Bedürftigen zugute kommen zu lassen. Aus dem verschiedenartigsten Material, das mir zur Verfügung stand, baute ich ein stattliches Floß, ließ es auf den Fluß der Insel gleiten und häufte alle Schätze darauf, deren ich habhaft werden konnte. Nun fing ich an, mit einem Brett das Floß vorwärts zu rudern. Ich sagte mir: "Dieser Fluß muß ebenso ein Ende haben, wie er einen Anfang hat; er muß unbedingt irgendwo in ein bewohntes Land führen". Der Fluß aber hatte einen unterirdischen Lauf; bald umgab mich tiefe Finsternis, während das Floß von der Strömung immer weiter getragen wurde. Nach drei Tagen kam der Fluß, der unter mächtigen Bergen dahinfloß, wieder ans Tageslicht. - Hier umringten mich eine Anzahl Inder und Abessinier mit mißtrauischen und gehässigen Mienen. Ich erhob salbungsvoll meine Arme und sprach sie an: "Friede sei mit euch, meine Brüder, ich bringe euch Glück, Segen und lange Gesundheit." Dieser Stamm der Abessinier aber war unversöhnlich; sie haßten jeden Fremdling und hätten mich in Stücke zerrissen, wenn ich nicht alles, was das Floß trug, unter sie verschenkt hätte. Lange mußte ich dieses Mal auf meine Erlösung warten. Endlich, nach Monaten erst, zeigte sich ein beheimateter Kauffahrer, der mich nach Bagdad zurückführte."