eine Geschichte, ihr edlen Herren, ist wunderbar. Von zu Hause aus mit
Gütern gesegnet, lebte ich in Bagdad, der Stadt der Freuden,
verschwenderisch in den Genüssen des Lebens und glaubte, mein
Reichtum nähme nie ein Ende. Ich wurde eines andern belehrt. Um
der Armut, der Not zu entgehen, kehrte ich alles zusammen, was mir
geblieben, machte aus meinen Grundstücken einige tausend Dirhem,
kaufte ein stattliches Schiff, rüstete es aus, befrachtete es mit
guter Ware und schickte mich an, wie viele andere Kaufleute, zur See
Handel und Wandel zu treiben. Ich nahm mir einen erprobten
Kapitän, der mein Schiff steuerte und die Mannschaft befehligte.
So fuhren wir denn hinaus auf das Meer. Basra war mein erstes Ziel.
Nach etwa sieben Tagereisen erblickten wir eine kleine sonnige Insel,
die außer mit Buschwerk und niedrigem Palmenbestand mit seltenen
Kräutern bewachsen war. Wir warfen Anker, und ich begab mich
allein mit einem Holzbottich auf das Eiland, um von den Kräutern
zu sammeln, die ich für eine Haschischspeise zu verwenden
beabsichtigte. Als ich ahnungslos das Beste herauspflückte, rief
auf einmal der Kapitän hoch vom Schiffsbord aus, so laut er
konnte: "Sindbad, rettet Euer Leben und kommt aufs Schiff, so schnell
ihr könnt! Die Insel ist keine wirkliche Insel, sondern ein
großer mitten im Meere feststehender Fisch!" -
In diesem Augenblick tauchte das Ungeheuer aus dem Wasser. Es brauste
und zischte - die See donnerte - ich wurde in hohem Bogen zusammen mit
dem Holzbottich in die Wellen geschleudert. Mein Kapitän hatte den
Kopf verloren, war aus Furcht schleunigst davongesegelt und
überließ mich meinem Schicksal. Mitsamt dem Schiffe war er
bald meinen Augen entschwunden. Um der Süßigkeit des Lebens
willen schwang ich mich rittlings auf den Bottich, zog meine Schuhe aus
und begann darauf mit meinen Füßen wie mit Rudern im Wasser
zu arbeiten. Fische, große und kleine, von den bizarrsten Formen,
in allen Farben schillernd, sprangen aus dem Wasser und begleiteten,
wie um mich anzufeuern, meine sonderbare Fahrt. Aus Leibeskräften
ruderte ich drauf los. Was ich so versuchte, um mich zu retten, erwies
sich bald als ein aussichtsloses Beginnen. Ein Sturm kam auf, packte
mich gewaltig und schleuderte mich die Wasserberge hinauf und hinunter.
Ich war meines Unterganges gewiß. In solcher Lage brach die Nacht
über mich herein. Endlos und hoffnungslos trieb ich in der
Finsternis dahin, bis ich vor Müdigkeit und Entkräftung die
Besinnung verlor. -
Als ich erwachte - o gnädiges Schicksal! - hatten mich Wind und Wellen an das Ufer einer hohen Insel geworfen, deren heller Sand im glänzenden Morgenlicht leuchtete. Mein erster Blick, als ich meine Augen öffnete, fiel in das dunkelhäutige Gesicht eines Schwarzen, der sich erstaunt über mich gebeugt hatte. - "Wer bist du, woher kommst du?!" rief er mich an. - "Ich bin ein Fremdling, der Wunderbares erlebt hat", erwiderte ich höflich und versuchte aufzustehen. Als ich aber meine Füße, die ich gleich Rudern im Wasser gebraucht hatte, auf den festen Boden der Insel setzte, fand ich, daß sie erstarrt und an den Sohlen von Fischen zernagt waren. Doch nicht genug damit: Muscheln, Krabben, kleine Seesterne und sonst noch allerhand mögliche und unmögliche Wassertierchen hatten sich an ihnen festgesetzt und ließen sich nicht so ohne weiteres entfernen. Bekümmert um dieses neue Ungemach setzte ich mich in den weichen Sand zurück.
Nun erkundigte ich mich bei dem Neger nach dem Stand und den Eigenschaften der Insel. - "Diese Insel", hub der Gefragte an, "gehört dem König Mihrdschan; jedoch liegt die Stadt des Erlauchten gerade entgegengesetzt diesem Teile der Insel, auf dem wir uns befinden. Diese Hälfte ist einsam und wird jahrein, jahraus von keines Menschen Fuß betreten. Nur ein Zufall führte mich hierher. Die Rosse des Königs waren ausgebrochen, um im Meere zu baden; auf der Suche nach ihnen kam ich hierher und fand euch, mein Herr." - Glücklich und dankbar für meine Rettung aus Seenot und Einsamkeit ging ich daran, mir aus dem Holz, das über den Strand verstreut lag, Krücken zu verfertigen, damit ich mit ihrer und des Negers Hilfe die Stadt des erlauchten König Mihrdschan erreichen könne. Ohne Aufenthalt machten wir uns auf. Lauer Wind wehte, üppige Früchte und viele süße Quellen zeigten sich uns zu beiden Seiten des Weges. Als wir uns der Stadt näherten, hatte der König schon Bericht bekommen und verlangte nach mir. Ich wurde ihm zugeführt, und als ich vor ihm stand, begrüßte ich ihn, worauf er mir den Salem erwiderte und mir mit dem Wunsche für ein langes Leben einen herzlichen Willkomm bot. Dann fragte er mich nach meiner Geschichte. Ich erzählte ihm von Anfang bis zu Ende, was mir widerfahren war und was ich geschaut hatte. - "O mein Sohn, du bist wunderbarlich errettet!" meinte der König, der sich wohl über meine Abenteuer und Erlebnisse sehr verwunderte, doch ständig verstohlen meine Füße betrachtete und kaum sein Lachen unterdrücken konnte. - "Wäre deine Lebenszeit nicht lang bemessen, du wärest diesen Drangsalen nicht entronnen." Als ich nun von dem Gegenstand meiner größten Qual berichtete und von meinen Füßen sprach, gab es kein Halten mehr. Unverhohlen ließ König Mihrdschan seine Lust am Lachen aus und wurde über die Maßen vergnügt. - Der König erwies mir seine Gunst und machte mich zum Hafenmeister und Registrator aller einlaufenden Schiffe. Ich stand diesem Amte gewissenhaft vor und war mit meinem Los zufrieden. Nur Eins kränkte mich und zwar die Tatsache, daß der König, so oft er mich zu Gesicht bekam, mir vergnügt mit einem Auge zuzwinkerte, woraus unzweideutig zu entnehmen war, daß er in mir einen Scharlatan sah, dessen abenteuerliche Erzählungen nicht ernst zu nehmen, vielmehr als amüsante und phantastische Dichtungen zu bewerten seien, mit denen ich mich bei ihm in Gunst, Amt und Würden eingeschmuggelt hätte. Ich wünschte nichts sehnlicher, als dem König diese falsche Vorstellung von mir nehmen zu können. Und es geschah - mein Wunsch wurde erfüllt. Eines Tages, es war in früher Morgenstunde, lief ein prächtiger Kauffahrer ein. Was glaubt ihr, meine edlen Herren, wem dieses Schiff gehörte? - Es war mein eigenes! - Nach einigem Hin und Her erkannte mich auch der Kapitän. Dieser bestätigte dem König, nachdem ich ihn dazu aufgefordert hatte, unsere gemeinsame Fahrt bis zur lebenden Insel - das übrige bewiesen meine Füße. Da ich noch immer barfuß ging, füllte der König heimlich meine Schuhe mit Gold und auserlesenen Edelsteinen und überreichte sie mir mit dem Ausdruck ehrlicher Reue, mich so über die Maßen verkannt zu haben. Dann ließ er durch seine Sklaven Teppiche und wertvolle Stoffe als Geschenk auf mein Schiff bringen, das bald von den Bordplanken bis unter die Rahen voller Schätze gestapelt war. Dann machte ich mich zur Heimreise klar. Auf der Meerterrasse hatte sich der König Mihrdschan mit seinem gesamten Hofstaat versammelt. Er lächelte mir wohlwollend zu und entließ mich mit großen Ehren. Man merkte ihm an, der Abschied wurde ihm schwer. - "Nie", so äußerte er, "würde er wohl einen Menschen wiederfinden wie gerade mich, Sindbad den Seefahrer, der nicht nur in Wirklichkeit so wundersame Geschichten erlebte, sondern auch diese so großartig und formvollendet wiederzuerzählen verstand." - Alles winkte ein Wiedersehen. Bald wurde die Insel König Mihrdschans zu einem schmalen Streif am Horizonte und verschwand dann ganz. In steter Fahrt von Wind und Wetter begünstigt, erreichte ich in vierzehn Tagen Bagdad. Nun wurde ich des Glückes voll. Reicher denn je, heil und gesund in die Stadt meiner Väter zurückgekehrt, nahm ich mir vor, ein ruhiges und beschauliches Leben zu beginnen. Um dies zu können, mußte ich besonders darauf bedacht sein, meine Abenteuerlust zu unterdrücken, um nicht erneut dem Seeteufel zu verfallen, der da draußen auf den weiten Meeren mit seinen Launen und Tücken auf mich lauerte.