uf dem Wege von Delhi nach Lahore im spärlichen Schatten eines
Ölbaumes lag im heißen Sand der Straße ein
Ausgeworfener, alt und mager, einer ausgedörrten Wurzel
ähnlich. Mühsam hob er den Arm, von dem die Lumpen hingen,
und stöhnte: "Das Leben hat mich genarrt und betrogen. Ich bin am
Ende. O Brahma, laß mich sterben !" - "Aber die Prüfung
dieses Menschen war noch nicht beendet. Vor ihm stand plötzlich
ein Jüngling von göttlicher Gestalt, flammenden Auges,
schön wie das blühende Leben, von Mitleid ergriffen. - "Ist
das ein Mensch?!" damit kniete dieser Jüngling nieder vor dem
Elenden, legte seinen golddurchwirkten und von Juwelen
übersäten Mantel vor ihn hin, dazu von seiner Stirn das
Diadem im Werte eines Königreichs. Er nahm dafür die braunen
Lumpen, den Wanderstab mit Kürbisflasche und ging des Weges weiter.
Durch das Wunderland "Indien" pilgerte gesenkten Hauptes ein
Königssohn in braunen Lumpen - in düstere Gedanken versunken
über das Leid der Sterblichen. Er sah die Menschen in Habsucht und
Gier verzweifeln. Als ihm Erkenntnis geworden war, zog er nach Delhi,
in die Stadt der goldenen Zinnen zu den Verblendeten, die das Leben
lebten in der Sklaverei irdischer Güter; er ging durch die Gassen,
hierhin, dorthin, und kam vor einen prächtigen Palast, aus dem ein
jämmerliches Stöhnen drang. - "O Brahma, laß mich
leben!" Der schöne Jüngling in den braunen Lumpen erkannte
die Stimme. Es war dieselbe, die einst im Staube der Straße das
Gegenteil gewünscht: "O Brahma, laß mich sterben!"
In Reichtum und Pracht, inmitten der seltensten Kostbarkeiten des
Landes, wankte in Seiden- und Kaschmirgewändern die
Schattengestalt eines Menschen. Ein Schatten nur noch, der nicht
sterben wollte, sich nicht trennen konnte von diesem weltlichen Tand. Um
ihn standen die Weisen Indiens und waren am Ende all ihrer Weisheit;
unbegreiflich schien es ihnen, daß dieser Schatten von einem
Menschen immerfort noch leben konnte. Doch unentwegt durchdrang des
Schattens schwacher Hilferuf den aufgehäuften Reichtum: "O Brahma,
laß mich leben!" - Da trat durch die hohen Pforten des Palastes
ein Fremdling, schön und strahlend wie das blühende Leben, in
braune Lumpen gehüllt und einen Wanderstab in der Hand. Dieser
Fremdling verlangte nach dem Schatten. Mit Aufwand seiner letzten
Kräfte sprang dieser dem Jüngling entgegen, packte blindlings
ihm ins Zeug, als wolle er sich dieses junge Leben nehmen. Da sah er
zwischen seinen welken Fingern braune Lumpen und taumelte zurück.
- "Erkennst Du sie?" fragte der Eingetretene. "In diesen braunen Lumpen
sehntest Du einst den Tod herbei; heute, in Samt, Seide und Kaschmir,
mit Gold und Flittertand behangen, fürchtest Du ihn! Zieh aus Dein
lästiges Gewand, nimm Deine Lumpen wieder; in ihnen wirst Du ruhig
sterben !" - "Nein! Ich will leben!" stöhnte der Schatten und sank
zurück in seinen Reichtum. - Da hob der Fremdling warnend seine
Hand: "Ich, Buddha Marga, der Erweckte" sage Dir, daß Du im
irdischen Begehren sündigst. Du wirst so oft geboren werden, die
ErdenquaI so oft erdulden müssen, bis du gelernt hast, zu
entsagen, um einzugehen in das Himmelreich 'Nirwana'."