Es konnte nicht leicht jemand größere Freude an Schelmenstreichen und Späßen haben, als der König. Ein guter Witz, eine scherzhafte Geschichte war der sicherste Weg, seine Gunst zu gewinnen. So kam es auch, daß seine sieben Minister sämtlich in dem Rufe standen, ausgezeichnete Spaßmacher zu sein. Sie waren nicht nur unübertreffliche Witzbolde, sondern auch ebenso dick und wohlbeleibt wie er selber. Aber so dick wie sie waren, waren sie gerade recht; denn ein magerer Spaßmacher ist ein seltenerVogel. Zu jener Zeit, da diese Geschichte spielt, waren die Narren an den Höfen noch nicht aus der Mode gekommen. Es versteht sich von selbst, daß auch der König, von dem hier die Rede ist, seinen Hofnarren hatte. Er brauchte etwas Närrisches in seiner Umgebung, sei es auch nur. um seine sieben dicken Minister bei guter Laune zu halten. Sein Narr, sein berufsmäßiger Spaßmacher, war von besonderem Werte; denn er war nicht nur ein Zwerg von außergewöhnlicher Gestalt; er besaß neben seinem spaßigen Außeren auch seltenen Mutterwitz und war in seiner unbeugsamen Lustigkeit stets mit treffsicherem Humor gewappnet. Unser König durfte sich mit gutem Recht glücklich preisen, daß er in Huppefrosch (so hieß der Hofnarr) einen vielfachen Schatz sein eigen nennen konnte. Den Namen "Huppefrosch" verdankte der Zwerg einer seiner einfältigen Ideen, von der er nicht abzubringen war. Er gab nämlich vor, nicht gehen zu können, wie andere Menschen, und bewegte sich durch ruckweises Rutschen und Springen vorwärts, eine Gangart, die immer grenzenlose Heiterkeit hervorrief. War der König schlechter Laune oder ließen seine sieben Minister einmal die Ohren hängen, was bei den schwierigen Staatsgeschäften hin und wieder nicht zu vermeiden war, so zauberte Huppefrosch mit einem Witz zur rechten Zeit die verlorenen Lebensgeister wieder hervor. Ein Grund mehr, den Narren stets in seiner Umgebung zu halten. Huppefrosch war vor Jahren mit einem ebenso zwerghaften Mädchen, das aber sonst einen wohlgestalteten Körper hatte und wunderbar tanzen konnte, aus ihrer Heimat verschleppt und dem König von einem seiner siegreichen Generale zum Geschenk an den Hof gebracht worden. Tripetta, so hieß diese kleine Tänzerin, war die einzigste am Hofe, die den Narren nicht ob seiner Mißgestalt verlachte. So war es nicht verwunderlich, daß beide kleinen Gefangenen enge Freundschaft verband. Sie waren unzertrennlich. Einmal, bei einer großen Staatsaktion, befahl der König, daß eine Maskerade stattfinden sollte. Bei solchen Gelegenheiten wurden allemal Huppefrosch und Tripetta in Bewegung gesetzt, um ihre Talente zu zeigen. Huppefrosch besonders war sehr erfinderisch und der ganze Hof war in fieberhafter Erwartung, was der Narr wohl Neues ersinnen würde. Über die Wahl der Masken und Kostüme hatten die einzelnen Festteilnehmer längst schon entschieden. Nur der König und seine sieben Minister waren noch unentschlossen. Da aber die Zeit sie schließlich drängte, schickten sie in ihrer Not zu Huppefrosch und Tripetta. Beide kamen. Der König wußte, daß Wein den Ideengang seines Narren beflügelte und die Phantasie des zwergenhaften Hirnes zu grotesken Auswüchsen steigerte; aber er liebte nun einmal derbe Scherze. - "Komm her, Huppefrosch!" rief er, als der Narr mit seiner Freundin nähergetreten war. "Leere diesen Becher auf unser aller Wohl und laß uns Deine Erfindungsgabe bewundern!" Huppefrosch seufzte; auch er wußte, daß der feurige Traubensaft seine Narretei über das Ziel hinausschießen ließ, und fürchtete schon im Geheimen den Zorn des Herrschers. - "Wir brauchen Charaktermasken! Charaktermasken! Hörst Du? Irgend was Neues! Niedagewesenes! Wir sind der ewigen Wiederholung müde. Komm! Trink! Der Wein wird Deinen Witz beflügeln." Als Huppefrosch den Becher in Demut aus der Hand seines Herrn entgegennahm, zögerte er; denn er war voller Sorge. - "Ah! Hahaha!" lachte der König und zwang den Zwerg, den ganzen Becher auf einmal hinunterzustürzen. "Und nun ans Werk!" sagte der Premierminister. - "Los! los !" rief der König ungeduldig, "ah! - ich merke, Du kleines Orang-Utanbaby, Du bist noch nicht bei Laune und willst noch mehr Wein haben. Hier, trink!" Huppefrosch starrte seinen König nach Atem ringend an. Das Wort "Orang-Utanbaby" drängte sich in seine Gedankengänge und drohte, seinen Kopf zu zersprengen. Der Wein hatte seine Wirkung begonnen. Aus allen Ecken des Saales schien es zu hallen: "Orang-Utanbaby! Orang-Utanbaby !" Huppefrosch machte eine verzweifelte Miene. Der König mißverstand seine Gebärden und schenkte einen neuen Becher rotfunkelnden Weines ein. Tripetta näherte sich jetzt leichenblaß dem Monarchen und flehte ihn unter Tränen an, ihres Freundes zu schonen. Doch ehe der König etwas erwidern konnte, lachte Huppefrosch befreit auf: "Ich hab's !" entrang es sich seiner Brust. "'Acht ausgewachsene Orang-Utans' könnten wir diesen Mummenschanz nennen, und wenn er gut ausgeführt wird, so wird er außerordentlich witzig!" Der Zwerg hatte seinen Vorschlag herausgeschmettert und alles starrte ihn sekundenlang stumm an; dann begriff man. "Großartig!" riefen jetzt der König und seine sieben Minister fast zu gleicher Zeit. - "Der Hauptspaß ist, daß die Damen gewaltig erschrecken", fuhr der Zwerg fort. - "Vortrefflich!" lachten der König und seine Minister im Chor. - "Ich werde Ihre Verkleidung in Orang-Utans schon richtig ins Werk setzen", meinte der Zwerg, der froh war, eine erlösende Idee gefunden zu haben. auf die ihn ja eigentlich der König selbst gebracht hatte. "Die Ähnlichkeit soll täuschend sein; niemand soll Sie von wirklichen unterscheiden können." - "Prächtig!" riefen der König und seine Minister, " Was so ein Zwerg alles zuwege bringt!" - "Und durch Ketten sollen die zottigen Tiere verbunden sein, das Klirren und Rasseln der Eisen wird die Wirkung erhöhen!" - "Die Sache wird gemacht!" riefen der König und seine Minister wie aus einem Munde. Die Zeit war vorgerückt, das Fest war im Gange. - "Ich werde die Verkleidung selbst bewerkstelligen", sagte Huppefrosch und ging sofort ans Werk. Zunächst wurden der König und seine Minister in eng anliegende Gewänder genäht. auf die dann eine gründliche Schicht Federn und Wolle geklebt wurde. Nun ließ Huppefrosch die acht fertigen Orang-Utans antreten und legte sie der Reihe nach an eine lange Kette. Das Ende und den Anfang der Kette legte er in der Mitte zusammen und verband sie miteinander. Der König und seine Minister in ihrer Verkleidung warteten geduldig bis Mitternacht und stürzten dann plötzlich in den dichtgefüllten Festsaal hinein. Es entstand ein entsetzliches Durcheinander; man hielt die Orang-Utans allgemein für echt, so gut hatte Huppefrosch die Verkleidung gemacht. Hätte der Zwerg nicht vorsichtigerweise das Tragen von Waffen im Saale unterbunden, so hätte der König und seine Genossen den Spaß vielleicht mit dem Leben bezahlen müssen. Die männlichen Festteilnehmer bewaffneten sich schleunigst mit allen möglichen erreichbaren Gegenständen und fielen mit Kasperklappern, Hirtenstäbchen, Holzinstrumenten und Papphammern wie die Wilden über die vermeintlichen Affen her. Bei diesem furchtbaren Lärm und bei der Wucht der Prügel konnte man die Hilferufe der acht Orang-Utans nicht mehr vernehmen. Nur Huppefroschs Stimme übertönte den Tumult. Von Gewissensbissen gepeinigt, machte er übermenschliche Anstrengungen, seinen König zu befreien. - "Überlaßt die Orang-Utans mir!" schrie er aus Leibeskräften. Als der Zwerg sich durchgerungen hatte, befestigte er blitzschnell die beiden zusammengekoppelten Enden der Kette an die Stange des Kronleuchterhakens, die er vorsorglich für alle Fälle vor Beginn des Festes ein Stück heruntergelassen hatte. Im Nu wurden durch eine unsichtbare Kraft die acht zusammengebundenen Orang-Utans in die Höhe gezogen und schwebten nun, aus der tobenden und wütenden Menge befreit, in der Luft. - Alles war vor Staunen über dieses Wunder bis an die Saaltüren zurückgewichen. Jetzt schwang sich Huppefrosch an das Ende der Kette, die aus dem lebenden Kronleuchter heraushing, und gebot Ruhe. "Hochlöbliche Festgesellschaft. Unser Gebieter, unser allergnädigster König, schickte uns diese Urwaldriesen. Ein wissenschaftliches Problem: Urzustand gegen Zivilisation! Die Probe aufs Exempel ist gemacht. Hätte ich die sanften Ungeheuer nicht in Sicherheit gebracht, sie wären schließlich von den wildgewordenen Menschen bestialisch in Stücke zerrissen worden !" - Bei dieser Rede des Zwerges hatte sich ein Gast nach dem anderen aus dem Festraume herausgedrückt. Als der Saal leer war, ließ Huppefrosch einen Pfiff ertönen; die großen Doppeltüren wurden geschlossen und eine Schar Diener trug eine gedeckte Tafel herbei. Nun senkte sich der Kronleuchter herab, schnell löste Huppefrosch die Kette und der König und seine sieben Minister nahmen Platz. Froh über das gute Ende, hatte die Tischgesellschaft in ihrer sonderbaren Verkleidung bald den überstandenen Schrecken vergessen. Der Narr nahm seine alte Gewohnheit wieder auf, machte Witze und Späße; die kleine reizende Tripetta sprang auf den Tisch und tanzte zwischen den gefüllten Schüsseln und Krügen. Man wurde vergnügt und lachte. Als aber der Premierminister dem Zwerg einen vollen Becher reichte, winkte der König ab: "Vorsicht, unser Hausnarr, der Schlingel, kann keinen Wein vertragen; gebt ihm lieber den Orden, den ihr da an Eurem Halse hängen habt. Ich glaube, er hat ihn heute abend redlich verdient!"