s war einmal... Wann? - Ja, wann? Das weiß ich nicht! Es war
einmal ein stattliches Schloß, auf einem großen ungarischen
Krongute, ein Herrscher, ein mächtiger Magnat, dessen liebliche
Tochter Wunderhold und - ein Zwirndüwel. Zwirndüwel?
Mitnichten, Zwirndüwel war kein Ungeheuer, war nur ein dünnes
Schneiderlein; so dünn, daß man bei seinem Anblick lachte,
lachte und immer wieder lachte. Bettelarm, doch maßlos eitel,
dünkte sich dieses dürre Männchen über alle
erhaben. Er ging durch die Gassen und sang unaufhörlich:
Schuster, Brauer, Leinwandweber,
Kaiser, König, Totengräber,
Bürger, Schreiber, Bauersmann,
Kaufmann, Schreiner, Edelmann,
Allein von diesem Erdentroß
Der Schneider kommt ins Himmelsschloß!
Nur ein Lump ist bescheiden! Dieses winzige Schneiderlein hatte sich
mir nichts, dir nichts in den Kopf gesetzt, besagtes
Fürstentöchterlein, die schöne Wunderhold,
müßte seine Frau werden. Zu diesem Zwecke schmückte er
sich wie ein Bräutigam. Er hatte sich eine hohe Zipfelmütze,
Rock, Beinkleider und Stoffschuhe mit Sorgfalt geschneidert aus
taubenblauem Tuche, das ihm eng am Körper lag, wie die Haut dem
Aale. An einem feinen Silberkettchen trug er auf der Brust eine
Nickeluhr. Diese Uhr, seine Papatatschi, war seine ganze
Glückseligkeit. Er machte dieses damals noch seltene Instrument zu
einem geheimnisvollen Talisman, der überall große Ehrfurcht
erweckte. So angetan und bewaffnet zog er aufs Schloß.
Jedoch die schöne Kronerbin Wunderhold war wohl gehütet;
schon unterm Tor empfing ihn gleich ein Waffenknecht des Magnaten, ein
Raufbold in Scharlach, mit einer Donnerstimme und einem bloßen
Schwert in der Hand. Der brüllte vor Lachen, als er den Schneider
sah: "Hahahaha! Was ist denn das für ein vertrackter,
spindeldrehiger Schneckedenz?! Haha haha! Wohin? Zum Fürsten? Haha
haha! Zum feinen Prinzeßchen gar? Haha haha hahaha ..." Der
Kriegsknecht bekam einen Lachkrampf. Doch als Zwirndüwel
"Papatatschi" rief und an seiner Uhr drehte und diese an zu schnarren
fing, war der Landsknecht schon an seinem Lachen erstickt. Das
Schneiderlein schrieb aber die todbringende Wirkung nicht seinem
lächerlichen Aussehen, sondern seiner Papatatschi zu. Stolz wie
ein Hahn schritt er über den toten Krieger hinweg in den
Schloßhof hinein. Hier traf er auf die Schloßwache, der es
bei seinem Anblick nicht besser erging. Sie wälzte sich vor
Lachen. Zwirndüwel ließ seine Papatatschi schnarren und
passierte ungehindert. Der Leibarzt, dem das Schneiderlein unter dem
Torbogen begegnetet bekam, vor Lachen eine Darmverschlingung, die nicht
mehr zu kurieren war. - Die Uhr schnarrte, und Zwirndüwel drang
immer tiefer in die Gemächer des Schlosses ein. Die Hofdamen und
Kammerzofen kreischten vor Lachen, fielen sich gegenseitig in die Arme
und schluchzten in Dur und Moll. Ehe sie sich aber versahen, war das
lächerlich dünne Männchen mit seiner schnarrenden
Papatatschi über sie hinweggehüpft, war am goldverzierten
Treppengeländer hinaufgesprungen, war bis ans Gemach der jungen
Fürstin Wunderhold gelangt und fuhr wie ein Wind durchs
Schlüsselloch.
Das
schöne
Prinzeßchen aber fiel, als sie den mißgestalteten
Zwirndüwel sah, in eine tiefe Ohnmacht. Der Schneider versteckte
dies wunderholde Mädchen; dann hüpfte er keck und lustig
pfeifend hinab zum Thronsaal. Hier, wo der Magnat seinen Hofstaat um
sich versammelt hatte, wirkte das Schneiderlein wie eine
Kartätsche; eine Lachsalve nach der andern krachte. Und als der
Hofnarr den Spirlefix am Schlafittchen nahm und vorstellte: "Prinz
Zwirndüwel, aus klein und dünn Asien!" da gab es eine
Lachkatastrophe, daß die Türme des Schlosses wackelten. -
"Den Guggelhupf muß mein Prinzeßchen sehen!" gluckste der
Fürst vor Lachen. Alle riefen: "Wo ist Prinzeßchen
Wunderhold?" Aber Prinzessin Wunderhold war nirgends zu finden. Da
spielte um des Schneiders Mund das rätselhafteste Lächeln der
Welt: "Papatatschi! Papatatschi!" Das geheimnisvolle Schnarren der Uhr
wurde hörbar und das Lachen verstummte. "Mein erhabener Fürst
und Ihr edlen Damen und Herren, Ihr findet sie nicht! Kein Wunder!
Unsichtbar hängt sie hier an meinem Arm!" Der pfiffige
Zwirndüwel tat, als ob sie wirklich bei ihm wäre;
tätschelte ihr die Wangen, schnippte ihr das Näschen und
küßte sie sogar, daß es schmatzte. Das Lachen war ganz
verstummt, es wurde mäuschenstill. "Verruchter Narr!" brauste der
Magnat auf, und zog sein Schwert. Das Schneiderlein aber lächelte
wieder so rätselhaft, daß der Fürst sein Schwert sinken
ließ; denn er fürchtete, sein Prinzeßchen zu treffen.
"Was verlangst Du - elender Zauberer?", fragte der tiefbesorgte Vater
voll bangen Entsetzens. - "Ich? Ich verlange gar nichts. Dein
Prinzeßchen verlangt! Sie liebt mich und verlangt mich zum
Gemahl!"
Nach dieser Behauptung des Schneiders verwandelten sich die
anfänglichen Lachtränen in Weintränen und der ganze
Hofstaat vergoß einen unbändigen Tränenstrom; denn
keiner konnte den Anblick der schönen Magnatentochter missen. Der
Herrscher mußte wohl oder übel den Handel eingehen. -
Heimlich erweckte nun das pfiffige Schneiderlein die Prinzessin
Wunderhold aus ihrer Ohnmacht, indem er sich über sie beugte, die
schnarrende Uhr an ihr Ohr hielt und leise "Papatatschi! Papatatschi!"
krähte. Sie erwachte. Auch sie glaubte, unsichtbar gewesen zu
sein, und ergab sich in ihr Schicksal. Lange regierte Zwirndüwel
und verstand, mit seiner schönen Gemahlin in Frieden zu leben. Ihr
fragt, wie er das machte? Die schönsten Kleider, aus den
erlesensten Stoffen von seiner Hand verfertigt, ließen sie noch
schöner erscheinen, als sie schon war. Die anderen Fürstinnen
beneideten sie sogar um diesen spindeldürren Gatten, weil in ganz
Ungarn kein Schneider so herrliche Gewänder machen konnte.