adellos gewaschen, gekämmt und aufgebügelt, wie ein echter
Gentleman, ging Bobby Box in Black Bell spazieren. Er schlenderte die
große breite Straße hinunter, aus der die ganze Ortschaft
bestand und die von beiden Seiten von grauen Holzhäusern und
Bretterbuden eingesäumt war. - Drüben las er zwischen blanken
Messingtellern "Barbershop", dort stand "Post Office"; daneben gab es
"Whisky and Tobacco"; ein kleines rotes Schild sprang ihm in die Augen:
Sheriff Jack Brown... Aber er achtete eigentlich nicht darauf; er
mochte von alledem nichts hören und nichts sehen. Eine Sehnsucht
brannte in ihm und ließ ihm keine Ruhe; er mußte
fortwährend an Marygold denken. - "Wäre ich doch ein
Fürst oder wenigstens ein reicher Mann!", dachte er sich, "dann
würde ich gleich morgen um ihre Hand anhalten. - Aber wo in aller
Welt mag sie überhaupt sein?" Wieder loderte die Sehnsucht in ihm
auf. - "O Marygold, mein Stern! Mein Herz, es läßt dich
grüßen!" rief er laut aus. - Plötzlich blieb er
verdutzt stehen; er sah eine hohe und bunte Fassade. "Boarding-House"
stand da in einem großen roten Herz und darunter war eine
allerliebste Tänzerin gemalt, die - Bobby Box wischte sich
über die Augen - eine Ähnlichkeit mit Marygold aufwies, die
einfach nicht zu verkennen war. Sollte "Sie" hier in Black Bell
tanzen...? Bobby hatte den Gedanken noch nicht ausdenken können,
als er vor sich ein Mägdelein in graziösen Schritten
dahinschweben sah, wie es solches nur eins auf dieser Welt gab. Wieder
hatte er das Gefühl, als träume er; jedoch schon war er an
ihrer Seite und als Dichter konnte er nicht anders, als sie in Versen
ansingen, um seiner großen Sehnsucht Ausdruck zu verleihen:
Oh, Marygold, ich wünschte nur,
Ich wär der Fürst von Singapur.
Ich würde dich mit Edelstein'
Behängen wie ein Christbäumlein.
Ich schwöre dir - ja, glaub' es nur,
Ich hol den Schatz aus Singapur.
Leihst du mir deinen kleinen Mund
Für einen K . . . . . . .
... Pfui! Teufel, Batz und Höllenschlund!! Bobby hatte den Mr. Jim, der sich zwischen ihn und Marygold gedrängt hatte, auf die krumme Nase geküßt. Also - o weh! - der böse Jim war auch da! - "Schnell einen Schnaps! Wo ist die Bar?!" Bobby wischte und spuckte und lief durch die offenstehende Tür an die Theke. Hier wurde er mit Gegröhl empfangen; aus rauhen Kehlen und riesigen Bärten scholl es: "Hurrah!!" Mächtige Wild-Westgestalten standen hier in Gruppen herum. hoch und breit wie die Waldriesen. Bobbys Augen wurden weit, und er fragte in seinem Erstaunen den ersten besten: "Was bist denn du für einer?!" "Ich? mein Greenhorn! - Ich? Ich bin aus Texas!" Er drückte Bobby die Hand, daß dieser vor Schmerz in die Knie mußte. - "Und ich!" ein zweiter drängte sich vor, "und ich, Boy, bin ein Mexikaner! Doch bevor wir Freundschaft trinken, muß ich dich erst mal - erschießen!" Der vierschrötige Bärenhäuter legte auf Bobby seinen Trommelrevolver an. Die ganze Bar lachte und krachte. Nach diesen schlimmen Späßen erhoben alle ihre Gläser, und Bobby mußte die Runde bezahlen. Er wurde dabei seinen letzten Cent los. Eingeschüchtert und traurig um den Verlust seiner baren Münze verließ Bobby schleunigst diese Schreckenskammer. - Im großen Saal in Dunst und Tabakqualm setzte er sich an einen versteckten Tisch, der hinter einer Holzsäule stand. Ihm war nicht wohl. Das wogende Gedränge erschien ihm schemenhaft, und der ganze Raum machte auf ihn den Eindruck einer dumpfen unterirdischen Höhle. Weit hinten in einer Ecke sah er - ohne sie zu hören - zwei Neger "Banjo" spielen und weiter sah er - er sah es mit fieberigen Augen - auf einem hohen Podium im leichten Gazeflitterröckchen ein traumhaft schönes Mädchen tanzen. - Nun stand es fest, Marygold war eine Tänzerin! Alles um ihn herum versank. - Wieder zur Besinnung gekommen, befand er sich inmitten des Saales; eine athlethische schwarze Lady im Sporttrikot führte ihn durch das Gedränge zum Podium. - "My darling, box mit mir für'n Kuß!" Bobby folgte willig. Er sollte also zur allgemeinen Belustigung beitragen. Was lag daran? Marygold mußte es ja auch! Kaum saßen ihm die großen Boxhandschuhe an den Händen, so hörte er ein Pfeifengetriller und hatte schon bereits einen Kinnhaken, daß er wie eine Zeugpuppe vom Podium flog. Er flog in die Falten eines Vorhangs, der durch den Anprall sich oben von der Latte löste, auf ihn herunterfiel und den armen Poeten vollständig zudeckte. - Lange mochte er so gelegen haben, als ihn ein brummendes "Him-hem-ham-hum" weckte. Bobby, noch immer unter dem Vorhang, schlug seine brennenden Augenlider auf; er sah durch das fadenscheinige Gewebe die schöne Tänzerin Marygold - und hinter ihr den finsteren Jim. - "Ich dulde es nicht! Er ist ein guter und aufrichtiger Junge!" hörte Bobby die melodische Stimme des schönen Mädchens. Aber Jim brachte nur "Him-hem-ham-hum !" heraus und erhob seine Hand, um sie zu schlagen. Mit gewaltiger Anstrengung befreite sich nun Bobby Box und sprang wie ein Wahnsinniger auf, um den Sheriff Jack Brown zu holen. Aber er kam nur bis zu seinem Tisch, der während seiner Abwesenheit mit Flaschen und Gläsern vollgestellt war, eine zarte Hand hielt ihn an der Schulter fest. Es war Marygold, die blütenweiß und rein vor ihm stand mit wunderbaren Flügeln aus frisch gefallenem Schnee. Sie schenkte zwei Gläser roten Weines ein, von denen sie ihm eines darbot mit glücklichem Lächeln. Die Gläser stießen leicht aneinander, und ihre schönen Augen strahlten wie zwei Sterne durch den granatroten Wein. Bobby Box konnte sein Glück nicht so schnell fassen; es schien ihm unwirklich. So dachte er sich auch nichts weiter dabei, daß er nun selbst Flügel hatte, daß seine Füße sich vom Boden lösten und er mit Marygold emporschwebte. Höher - höher ging es, Herz an Herz. - "Hollah, zahlen!!!!" Was ist das? Ein ganz gemeiner Erdenbaß ließ sich von unten hören. Bobby plumpste aus allen Himmeln. Der Wirt empfing ihn mit zornrotem Gesicht und verlangte von ihm, daß er alles bezahlte, was sich auf seinem Tisch an Flaschen zusammengefunden hatte. Bobby aber griff schnell nach Hut, Stock und Tasche und flog wie ein Pfeil aus dem Saal hinaus. Draußen am Ausgang des Hauses sah er hinter einer Holzsäule einen Fuß stehen, der einem Pferdehuf ähnlich sah. Er hob dieses sonderbare Ding in die Höhe, Indem er mit dem Griff seines Spazierstockes dahinterhakte. Rumps!!! Ein furchtbares Gepolter folgte! - Es war der Fuß des im Hinterhalt lauernden Mr. Jim. Dieser lag nun in Pick und Pack und Scherben drin. Vor Schreck verlor Bobby Box seine Hose, die ihm auf die Füße fiel. Also Jim hatte einen Pferdefuß! Bobby fand dies entsetzlich und wollte davonlaufen, aber die heruntergerutschte Hose hinderte ihn. Schon hörte er Jims Pferdefuß traben; das Traben erscholl näher, schwoll an zu einem Gestampfe von hunderten galoppierenden und wiehernden Gäulen. In höchster Not kam Bobby auf die ganz einfache Idee, die Hose hochzuziehen - und da ging's. Er konnte laufen und sehr heftig sogar. Flugs war er draußen in der frischen Nachtluft. Ein Windstoß aus dem verwunschenen Hause brauste hinter ihm her- es mochte noch eine Verwünschung des Mr. Jim sein, die ihm nacheilte. Schnell kroch Bobby in das nächste Plankenloch. Hier in Sicherheit schaffte er sich eins-zwei-drei: ein famoses Junggesellenheim, deckte sich zu, schlief ein und im Traum wurde sein hartes Bett zu einer sanft wiegenden Schaukel. - Der Poet Bobby träumte in Versen:
Sie hat mich richtig angeflammt,
Mit ihren Augen angebrannt!
Sie liebt mich! - Jim kriegt jetzt den Rest!
Mensch, Bobby halt die Hosen fest!!
Mein Bobby, ach! wie bist du schneidig!
Unwiderstehlich...!" - (es wäre leidig,
Wenn Marygold auch noch zum Schluß
In Liebeskummer leiden muß.)