Der kastilische Edelmann verbringt Tage und Nächte über Ritterromanen. "Das größte Unglück war dabei, daß er die Sagen und Legenden für bare Münze nahm". So fasst er den verrückten Entschluss, selbst ein fahrender Ritter zu werden.
Die Zahl der Künstler, die Cervantes großen Roman illustrierten, geht in die Hunderte. Hier noch etwas Neues zu schaffen, ist sehr schwer, fast unmöglich. Wer es wagt, muss ähnlich verrückt sein wie Don Quixote selber. Das weiß Stefan Mart und scheint sich zu sagen: "keine Sorge - ich bin es!"
Den Feuereifer, mit dem er sich an die Aufgabe macht, zeigt schon das erste Bild der Serie: Über den bedrohlich getürmten Folianten brennt auf bläulicher Kerze die Flamme der Phantasie. Von ihrem gelbroten Schein glüht die Stirn des Lesenden. Die Unterlippe hängt ihm schlaff herunter: er kommt aus dem Staunen über die Heldentaten und Wunder nicht mehr heraus. Mit weit aufgerissenem Auge saugt er das Buch in sich hinein. Die hagere Hand fasst den kahlen Schädel, als ob er zu zerspringen drohe.
Ganz anders stellt der mexikanischen Künstler Efrén Ordóņez (geb. 1926) sich den lesenden Ritter vor. Das Bild Don Quixote und seine Ritterbücher aus dem Jahre 1973 zeigt nicht den Phantasten, sondern den edelmütigen Don Quixote. Tief bewegt von seiner Lektüre legt er die rechte Hand aufs Herz.
Das Urbild des romantischen Phantasten Don Quixote schuf Gustave Doré (1832 - 1883) mit dem ersten Bild seiner Illustrationenserie (um 1863). Trunken von Visionen schwingt der Lesende mit der rechten Hand sein Schwert, der Mund deklamiert die Reden der Gestalten, die ihn in seinem düstern Kabinett heimsuchen: Bizarr gerüstete Ritter auf Schlachtrössern, ein scheußlicher Drache, Jungfrauen mit flehend erhobenen Händen von Unholden in Ketten gelegt. Das abgeschlagene Haupt eines Riesen liegt dem Lesenden zu Füßen. Im Vordergrund liefern sich zwei spielzeugkleine Ritterlein auf Mäusen reitend ein Lanzengefecht, ein dritter, etwas größerer besteigt gar den Rücken eines Folianten. (Zur Illustration von Gustave Doré)